Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 233c

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Vom Punkt zur vierten Dimension. Geometrie für Jedermann.

33[editar]

Dreiunddreißigstes Kapitel
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Koordinaten, Kurvengleichungen und Funktionen
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Wenn wir dies alles genau durchdacht haben, dann ist der weitere Aufbau leicht. Gesetzt, wir drehten jetzt ein Abbild unserer Zahlen-Größen-Koordinaten-Linie um den Punkt 0 aus sich selbst heraus und ließen es unter irgend einem Winkel stehen.


Dann haben wir klarerweise jede unserer Größen und Zahlen zweimal in der Ebene. Aber nicht mehr. Denn etwa kommt einmal rechts der 0 vor und einmal oberhalb der Null, wenn unser Drehsinn ein positiver (entgegen der Umlaufsrichtung eines gewöhnlichen Uhrzeigers) war. Und die Zahl oder kann auch nur zweimal erscheinen. Nämlich links der Null und das zweitemal unterhalb der horizontalen „Achse“. Wir sind also imstande, je eine Zahl der einen Achse mit je einer Zahl der anderen Achse irgendwie in Beziehung zu bringen, sogenannte „Zahlpaare“ zu bilden, ohne daß die Wiederholung eines dieser Zahlpaare möglich wäre. Aus unseren obigen Zahlen könnten wir die Paare und bilden, die, wie man sich sofort überzeugen kann, durchaus nicht identisch sind, sondern getrennt voneinander liegen.
Wohin haben wir unsere „Zahlpaare“ nun verlegt? Wir müssen ein wenig nachdenken. Jedes Zahlpaar soll wohl nicht nur an der Größe, sondern auch an der Richtung der beiden Einzelzahlen teilhaben. Der dem Zahlpaar zugeordnete Punkt P2 oder P4 soll beides in sich enthalten. Dies erreichen wir durch den Schnittpunkt von Geraden, die unseren beiden „Zahlen-Größen-Achsen“ parallel sind. Wir bilden einfach die beiden Zahlen im Wege der Projektion in einem Punkt ab. Man nennt solche Koordinaten deshalb auch Punktkoordinaten. Wenn wir nun sämtliche Zahlen der einen Achse mit sämtlichen Zahlen der anderen Achse zu Zahlpaaren verbinden, dann erfüllen die diesen Zahlpaaren entsprechenden Punkte die ganze Ebene sowohl eineindeutig als stetig. Nirgends kann ein Zwischenraum bleiben, und ich habe damit das Koordinatensystem der Ebene oder des ebenen R2. Nun würde ich aus unserer zweiten Achse wieder um den Nullpunkt eine dritte gleiche Achse in den R3 herausdrehen. Und zwar unter irgend einem Winkel. Dadurch wird es mir möglich, Zahlen-Dreiheiten oder Zahlen-Tripel zu bilden, die ich wieder, zu je drei, einem und demselben Punkt eineindeutig und stetig durch Projektion zuordnen kann. Wieder erfüllt die Gesamtheit aller dieser Punkte den R3 vollkommen“ kontinuierlich. Und wir haben das dreidimensionale oder räumliche Koordinatensystem oder das Koordinatensystem des Raumes geschaffen. Wir bemerken schon, daß die Anzahl der Zahlen, die je einem Punkt bei Punktkoordinaten zugeordnet werden, gleichzeitig die Dimension des Raumes Rn anzeigen, in dem das Koordinatensystem liegt oder den sämtliche Zahlen-Mehrheiten dieses Systems konstituieren oder bilden. Der R1 hat Punkte, die Zahlen-Einheiten, der R2 hat Punkte, die Zahlen-Paare, und der R3 hat Punkte, die Zahlen-Tripeln entsprechen. Ein Punkt ist auch - dies eine Verbindung mit der Lage-Geometrie - im R1 durch eine gerichtete Länge, im R2 durch zwei gerichtete einander in den Endpunkten schneidende Längen und im R3 durch drei gerichtete Längen, die einander in ihren Endpunkten schneiden, erst eineindeutig bestimmt. Fällt eine der Längen weg, so ist der Punkt nur mehr irgend eine Projektion des eineindeutig bestimmten Punktes. Allerdings liegen auch alle diese Projektionen stets auf einer Geraden. Beim R1 fällt scheinbar durch Weglassen der einzigen Länge überhaupt jede Bestimmung fort. Der Punkt liegt aber trotzdem wieder irgendwo auf einer Geraden, in diesem Falle auf der Geraden und ist natürlich. auch eine Projektion des bestimmten Punktes.
Nun wäre noch nachzutragen, daß auch dem geometrischen R2 ein ideeller zweidimensionaler Zahlenraum aus unendlich vielen, vollständig stetig dicht gelagerten Zahlenpaaren und dem R3 ein dreidimensionaler Zahlenraum aus stetig dichtgelagerten Zahlentripeln entspricht. Nur ist die Menge der Zahlenpaare im R2 das Quadrat der Zahlen-Einheiten im R1. Und die Menge der Tripel ist die dritte Potenz der Zahlen-Einheiten-Menge. Man drückt dies manchmal wegen der Unendlichkeit der Punkte der Geraden so aus, daß man der Ebene eine unendliche Anzahl von Punkten zweiter und dem R3 eine unendliche Anzahl von Punkten dritter Ordnung zuschreibt. Also etwa , und . Das aber sind Tatsachen, die von der neuesten Mengentheorie sehr scharf unter die Lupe genommen wurden, wobei die Mengentheorie behauptet, daß die Anzahl der Punkte in der Linie, der Fläche und in jedem beliebigen höheren Raum überall die gleiche „Mächtigkeit“ hat. Nämlich die „Mächtigkeit des Kontinuums“. Das klingt nun sehr paradox. Deshalb wollen wir zeigen, daß wir bei derartigen Untersuchungen überhaupt leicht in Paradoxien geraten. Es ist etwa bei einem Koordinatensystem durchaus nicht gefordert, daß die Einheit der beiden Achsen dieselbe ist. Wir wissen aus der Praxis, etwa aus technischen oder statistischen Darstellungen, daß man sogar in der Regel die Einheiten verschieden wählt, weil man auf der einen Achse zu hohe Einheitsanzahlen hätte, um sie auf dem vorgeschriebenen Format einzuzeichnen. Wenn aber der verschiedene Maßstab beider oder beim R3 aller drei Achsen richtig sein soll - und es ist unbestritten, daß er es ist -, dann folgt aus dieser Maßstab-Verschiedenheit, daß dieselbe Anzahl von Punkten nach der einen Richtung eine kleinere Fläche erfüllt als nach der anderen. Unser Kontinuum gewinnt dadurch eine Art von „Kautschuk-Charakter", das heißt, es ist nach mehreren Richtungen oder nach allen Richtungen beliebig dehnbar, ohne daß sich die Einzelpunktgröße oder die Punkteanzahl ändern darf. Wenn es mir einfällt, auf der einen Achse einen Milliontel Mikromillimeter und auf der anderen Achse eine Billion Lichtjahre als Einheit zu wählen, muß alles ebenso stimmen, wie wenn auf beiden Achsen je ein Zentimeter als Einheit gewählt wird. Man kann sich mit der Ausrede helfen, daß man ja schon für den unendlich kleinen Zwischenraum zweier benachbarter rationaler Zahlen noch unendlich viele irrationale Zahlen zur Ausfüllung haben muß. Wir schwimmen da nur so in mehrfach gekoppelten Unendlichkeiten, für die die Gesetze des Endlichen durchaus nicht gelten müssen. Aber es ist dies alles trotzdem eine gewaltige Zumutung an die Vorstellungskraft und an die Logik. Und hier ist wieder einmal eine Stelle, an der das Menschlein, das Sophokles als „das Gewaltigste“ postulierte, recht elend und unsicher werden dürfte, und wo ihm vor seiner Gottähnlichkeit mächtig bange wird.
Wir müssen aber gleichwohl unser „ideal-elastisches“ Kontinuum gläubig hinnehmen, da wir sonst die Zuordnung der Zahlen zu Größen, also die Maßgeometrie überhaupt und die analytische Geometrie im besonderen, aufgeben müßten. Wir kompensieren unseren maßgeometrischen Minderwertigkeitskomplex und behaupten, unsere analytische Geometrie öffne ein weites Tor zu höheren Dimensionen. Warum, so fragen wir, sollen wir nicht lustig eine analytische Geometrie treiben, in der Zahlen-Quadrupel, Zahlen-Quintupel, Zahlen-Sextupel, -Septupel usw. je einem und nur einem einzigen Punkt eineindeutig und stetig zugeordnet werden? Wer kann uns das verbieten? Wenn wir einmal Rechengesetze kennen, die zu allen Räumen invariant sind, also überall unverändert gelten, dann brauchen wir überhaupt nur mehr die Zahlenräume, die ja streng genommen kombinatorische Räume sind, und scheren uns nicht mehr um die Anschauung.
„Kombinatorisch“ nennt man solche Zahlenräume, da ihre „Punkte“ nichts anderes sind als Unionen, Amben, Ternen, Quaternen usw. aus beliebigen Zahlen.
Wir verlassen uns dann bloß noch auf die große Denkmaschine, auf die „wahre Kabbala“, auf den Algorithmus des Zahlenreiches oder Zahlenraumes, und ordnen ihm entsprechende, wenn auch anschauungsmäßig nicht mehr greifbare geometrische Verhältnisse im R4, R5, R6 usw. zu, wie wir dies ja schon in der projektiven Geometrie bei den vollständigen Figuren versuchten, wo wir solch ein invariantes, also formbeharrendes Gesetz der Bestandstückeanzahl von Figuren fanden.
Es ist nun auf eine unbegrenzte Anzahl von Arten möglich, Koordinatensysteme zu bilden. Unser Fall der sich schneidenden Zahlengeraden ist ein sehr spezieller, wenn auch ein wegen seiner Einfachheit fast allgemein gebräuchlicher. Wir wollen es aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß Plücker, Gauß und Graßmann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Koordinatenbegriff zu größter Allgemeinheit erweitert haben, und daß man in diesem Zusammenhang von Gauß'schen und Plücker'schen Koordinaten spricht. Es gibt etwa Dreieckskoordinaten, bei denen die Zahlenmehrheit nicht mehr entscheidend is tfür die Dimension, da hiebei schon im R2 jedem Punkt drei und bei den Tetraederkoordinaten im Raum R3 jedem Punkt vier Koordinaten zugeordnet sind. Man muß hier entweder den Zusammenhang zwischen Zahlen-Anzahl und Dimension aufgeben, oder, wie dies einige Mathematiker tun, den Dimensionsbegriff ändern und den R2 als dreidimensional, den R3 als vierdimensional usw. bezeichnen. Wir halten aber letzteres nicht für günstig und werden es niemals anwenden. Weiters gäbe es noch Kreis-, Kegel-, Kugelkoordinaten usw. Nun gibt es aber außer diesen verschiedenen Spielarten, bei denen stets einem Gebilde Zahlen und einer Zahl Gebilde zugeordnet werden, noch einen anderen Typus von Koordinaten, dessen einfachste Spielart wir uns ansehen werden. Es sind gleichsam gemischte Längen-Winkel-Koordinaten, die man allgemein Polarkoordinaten nennt und die zur Analysis aller umschwingenden Kurven wie Spiralen usw. die besten Dienste leisten. Im R1 sind sie nicht möglich, weil es dort keine Winkel geben kann. Winkel erfordern zwei Freiheitsgrade, da sie aus Längen und Drehungen entstehen. Im R2 dagegen sind Polarkoordinaten ohneweiters denkbar. Es sind dabei jedem Punkt der Fläche (Ebene) je eine Länge und ein Winkel, also wieder zwei Größen eineindeutig stetig zugeordnet. Im letzten Grunde sind das ja auch nichts anderes als zwei Zahlen oder ein Zahlen-Paar. Nur betrifft jede Zahl ein strukturell anderes Gebilde.


Es gibt auch bei den Polarkoordinaten einen Ursprungspunkt 0, eine Grundachse g und eine Zahlenlinie. Diese ist aber nicht die Achse, sondern der sogenannte Radius-Vektor oder der kreisende, umschwingende Radius r. Schließlich gibt es als zweites Bestimmungsstück das Winkel- oder Bogenmaß des Winkels , das anzeigt, wie der Vektor zur Achse liegen muß. Wenn wir nun auf dem Vektor noch von 0 aus die Länge messen, die zum Punkt P führt, haben wir die Lage dieses Punktes in der Ebene unter einer Einschränkung eineindeutig bestimmt. Dem Vorbehalt nämlich, daß der Winkel nicht aus , usw. zustande gekommen ist. Da sich die Winkelfunktionen für , , wobei n eine beliebige ganze positive oder sogar auch negative Zahl sein kann, gleich bleiben, kann man bei trigonometrischen Rechnungen innerhalb des Koordinatensystems niemals angeben, ob es sich um oder um handelt.
Für unseren Gebrauch werden die aus zwei sich schneidenden Zahlenlinien bestehenden Koordinaten die vornehmlichste Rolle spielen. Und zwar hievon wieder eine ganz besondere Art. Wir hatten zuerst aus Allgemeinheitsgründen den Winkel, unter dem sich die Zahlenlinien schneiden, als beliebig betrachtet. Man kann auch in solch einem sogenannten schiefwinkligen Parallelkoordinatensystem sicherlich alle Operationen durchführen. Nur muß man dabei stets im Wege trigonometrischer Sätze den Neigungswinkel der beiden Achsen berücksichtigen, was nicht sehr bequem ist. Aus diesem Grunde nehmen die rechtwinklig sich schneidenden Zahlenlinien, die sogenannten rechtwinkligen, Cartesischen oder orthogonalen Koordinaten eine besondere Stelle ein, da hier zwar auch ein Neigungswinkel vorhanden ist, jedoch deshalb nicht zur Erscheinung kommt, weil er in allen vier Quadranten gleich ist und weil außerdem alle Projektionen Lote sind, die sich auf der Achse, zu der sie nicht parallel sind, als Punkte abbilden. Im rechtwinkligen Koordinatensystem ist also jedes Lot gleichsam nur ein verschobenes Stück der Achse selbst, das ein zweites, ebenfalls verschobenes Stück der anderen Achse. immer rechtwinklig schneidet und dadurch sofort etwa den Gebrauch des „Pythagoras“ zuläßt. Außerdem ist das rechtwinklige System nach allen Richtungen absolut symmetrisch. Diese Vorteile sind offensichtlich. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß schon Descartes selbst schiefwinklige Systeme benützte, also die Bezeichnung „cartesisch“ nur zum Teil stimmt. Dann aber ist in manchem Einzelfall, besonders für die Untersuchung schiefwinkliger Figuren, oft ein schiefwinkliges System vorteilhafter als ein rechtwinkliges, weil man einfach eine Seite einer solchen Figur als Koordinatenachse wählen darf.
Aber auch das wollten wir bloß streifen. Zur Einführung werden wir genug damit zu tun haben, uns in einem rechtwinkligen System ordentlich bewegen zu lernen, wobei wir uns außerdem noch auf das ebene beschränken. Zuerst müssen wir an der Hand einer Figur gleichsam den Sprachgebrauch der analytischen Geometrie kennen lernen.


Aus unserer Figur ist eigentlich alles zu entnehmen. Wir wollen es aber gleichwohl wiederholen. Das Ganze heißt ein rechtwinkliges, orthogonales oder Cartesisches Koordinatensystem. O ist der Nullpunkt beider Achsen oder der Koordinatenursprungspunkt, da man sich die Achsen aus diesem Punkt entspringend oder herauswachsend vorstellen darf. Unter „Koordinaten“ schlechtweg versteht man entweder beide Achsen, richtiger aber die Lote eines Punktes auf beide Achsen. Die Achsen selbst werden als Koordinaten-Achsen bezeichnet und zwar die waagrechte als Abszissenachse, die senkrechte als Ordinatenachse. Die entsprechenden Lote heißen dann die Abszisse und die Ordinate eines Punktes. Nun fügen wir der Genauigkeit halber bei, daß die Lage nicht maßgebend ist für den Charakter der Abszissen- oder Ordinatenachse. Es sind da andere Gesichtspunkte von Bedeutung, die wir jedoch erst später werden erörtern können. Da wir nun noch nicht wissen, wie groß die Abszisse oder Ordinate eines beliebigen Punktes ist, nennen wir sie einfach X und y oder -x und -y, je nachdem, welche Richtung sie hat. Die Zugehörigkeit zum Punkt P1, P2, P3, P4 usw. markieren wir durch Indizes (x1, x2, y1, y2 usw.). Daher nennen wir auch die Abszissenachse die x-Achse und die Ordinatenachse die y-Achse. Die vier Bereiche, in die die Ebene durch die beiden Achsen geteilt wird, heißen Koordinaten- Quadranten oder einfach Quadranten. Sie werden im Gegensinne des Uhrzeigers numeriert als I., II., III., IV. Quadrant. Wir bemerken noch einmal, daß die Festlegung der Richtungen rein willkürlich ist. Wir könnten die negativen Achsen-Halbstrahlen auch nach rechts und nach oben laufen lassen. Nur würde man dann wohl die Quadranten gegensinnig numerieren und den IV. mit I., den III. mit II. usw. bezeichnen. Aber auch das ist bloße Konvention. Ich könnte trotz anderer Lage der Minusachsen ruhig die Quadranten-Nummern beibehalten. Wir wollen aber keine Verwirrung stiften. Die Übereinkommen in der Mathematik, das wollten wir sagen, enthalten keinerlei Auskunft über wahr und falsch. Sie sind einfach eine Sprache. Wenn ich plötzlich im Deutschen die Kartoffel als „Ribaran“ bezeichnen würde, wäre das auch nicht „falsch“ . Es wäre nur unverständlich, da diesen Ausdruck vorläufig nur ein einziger Deutscher gebrauchen würde. Daher wollen wir die Kartoffeln weiter als Kartoffeln und die Bestandstücke des Koordinatensystems weiter so benennen, wie es allgemein üblich ist. Wir bekommen dabei noch so viel zu tun, daß uns der Appetit auf eigene Sonderbezeichnungen bald vergehen wird. Wenn wir nun einen Punkt abgekürzt festlegen wollen, so schreiben wir einfach oder oder . Also stets zuerst die Abszisse und dann die Ordinate. Bei x und y ist eine Verwechslung nicht möglich, wohl aber bei konkreten Zahlen. Der Punkt liegt ganz Wo anders als der Punkt , was auch aus der Zeichnung zu entnehmen ist.
Nun hätten wir alle Grundbegriffe beisammen, um unsere neue Sprache anwenden zu können. Wir könnten aber bisher mit unserer Weisheit nur Punkte gewinnen und das dürfte wohl kaum der Zweck der analytischen Geometrie sein. Daher brauchen wir noch gleichsam ein arithmetisches Instrument, das eine getreue Nachbildung der Gebilde jenseits des Punktes, also der Linien und Flächen liefert. Uns interessieren in unserer ebenen Geometrie davon vorläufig bloß die Linien (Geraden und Kurven). Wie nun, so fragt man sich, kann man eine Linie arithmetisch eineindeutig abbilden? Ein scheinbar unlösbares Problem, dessen Lösung aber der wahre Triumph des menschlichen Geistes ist, da diese Lösung uns erst die Beherrschung des „Gekrümmten“ erschloß. Jedenfalls werden wir uns dabei den Umstand zunutze machen, daß jeder Punkt zweifach zugeordnet ist, daß er gleichsam sowohl ein x als ein y in sich enthält oder spiegelt. Dadurch kommen wir in die Nähe des arithmetischen Instrumentes der Gleichungen. Jeder Punkt hat stets zugleich ein x und ein y, es muß also eine bestimmte Zusammensetzung des x stets das zugehörige y ergeben oder umgekehrt. Im R1 wäre die Angelegenheit sehr einfach. Dort ist das allein vorkommende x eben so und so viel, also so und so weit vom Ursprung entfernt und damit festgelegt. Im R2 aber erlaubt der zweite Freiheitsgrad dem wandernden Punkt allerlei Abwege und Extratouren. Er kann, wenn es ihm paßt, aus der x-Achse austreten und sich in zunehmender Schnelligkeit in der y-Richtung bis ins Unendliche entfernen. Dann aber kann er, als ob er aus dem Geisterreich käme, plötzlich wieder auf der anderen Seite der x-Achse, also „unten“ auftauchen und sich in die x-Achse zurückbegeben. Kurz, es ist dem guten Willen des „wandernden Punktes“ anheimgestellt, uns in allerlei Art zu narren und seine zwei Freiheitsgrade zu gebrauchen oder zu mißbrauchen. Wenn wir aber unserem wandernden Punkt etwa in Gedanken die Fähigkeit zuschrieben, eine farbige Spur seiner Wanderungen zu hinterlassen, oder wenn wir uns ihn als so hart dächten, daß er in die Ebene seine Spur einritzte, dann müßte diese Spur wohl eine Linie sein, weil der Punkt ja keine Breite hat. An jeder Stelle der Wanderung aber hatte unser ruheloser Punkt ein x und ein y. Und zwar müßte an jeder Stelle das y gleich sein dem x selbst, einem Teil von x oder einem Vielfachen von x. Eventuell war das y auch 0, wenn sich nämlich der Punkt in der Abszissenachse selbst bewegte. Wir können also eine Art von „Bedingungsgleichung“ zwischen y und x dazu gebrauchen, jeden Punkt festzulegen. Hätten wir etwa den Punkt , dann lautete diese Gleichung für diese Stelle , da ja und . Nun sehen wir schon, daß wir mit unserem neuen Gedanken wieder nur Punkte erhalten, wenn nicht eine zweite Bedingung dazu kommt. Nämlich daß die „Wanderspur“ des Punktes gleichsam der geometrische Ort aller Punkte ist, die diese Gleichung erfüllen. Wir werden gleich zeigen, was wir meinen. Hätten wir etwa unsere obige Gleichung , so genügt ihr nicht bloß der eine Punkt P, dessen Koordination sind. Sondern jeder andere Punkt der unendlichen Ebene, bei dem dieses Koordinationsverhältnis ebenfalls zutrifft. Also etwa die Punkte , . Aber auch andere, nicht im ersten Quadranten liegende Punkte, wie , , . Aber schließlich auch der Ursprungspunkt , da auch er die Gleichung erfüllt. Unsere Punktwanderung kann sonach im ersten und dritten Quadranten vor sich gehen, und die Linie, von der wir noch nicht wissen, ob sie gerade oder gekrümmt ist, die wir also der Allgemeinheit halber einfach „Kurve“ nennen, durchläuft auch den Koordinaten-Ursprungspunkt. Wenn wir nun diesen Gedanken gehörig bis ans Ende denken, dann muß es, da ja die Zuordnung eine eineindeutige, also umkehrbare ist, auch möglich sein, jeder, Gleichung mit zwei Unbekannten eine „Bild-“ oder „Abbildungskurve“ zuzuordnen, wie es auch gelingen muß, zu jeder „Kurve“ die abbildende arithmetische Entsprechung, die Bedingungsgleichung zu finden. Wir stoßen damit auf eine neue arithmetisch-geometrische Dualität höherer Ordnung, die vorläufig, vage ausgedrückt, lautet: „Jeder Gleichung aus zwei Unbekannten entspricht abbildhaft eine Kurve und jeder Kurve entspricht abbildhaft eine Gleichung mit zwei Unbekannten.“
Es ist für uns hier kein Raum vorhanden, die weitere Ausdeutung solcher Bedingungsgleichungen als Funktion auszuführen. Dies wurde in aller Ausführlichkeit bereits von uns im Buche „Mathematik von A bis Z“ geleistet, auf das wir hier verweisen, wenn es der Leser nicht vorzieht, sich hierüber aus anderen Quellen Klarheit zu verschaffen. Wir betonen nur, daß man jede Punktwanderung sich so denken kann, als ob sie einem mehr oder minder verwickelten Gesetz folgte, das seinen_arithmetischen Ausdruck eben in der Bedingungsgleichung oder Funktion findet. Eine Funktion liegt aber dann vor, wenn die Änderung der einen Unbekannten zwangsläufig eine Änderung der anderen herbeiführt, was sich übrigens aus dem Wesen des Gleichmachungsbefehls der Gleichung ergibt. Wenn man also (diese Wahl ist bloße Vereinbarungl) die Unbekannte x, die man in ihrer neuen Eigenschaft eine „Veränderliche“ nennt, willkürlich verändert, so ändert sich .damit die andere Veränderliche y zwangsläufig. Wir haben sonach jetzt eine Funktion, geschrieben , mit zwei Veränderlichen, die für gewöhnlich die „unabhängige“ Veränderliche x und die von dieser „abhängige“ Veränderliche y genannt werden. Wir haben aus pädagogischen Gründen für pädagogische Zwecke vorgeschlagen, x die „willkürliche“ und y die „zwangsläufige“ Veränderliche zu nennen. Da gegen eine solche Bezeichnung bisher von fachlicher Seite kein Einwand erhoben wurde, wollen wir es auch hier so halten.
Also noch einmal zusammengefaßt: Man kann einer Kurve eine Bedingungsgleichung mit zwei Unbekannten oder, was nur formal etwas anderes ist, eine Funktion zweier Veränderlicher zuordnen. Ändert man willkürlich die eine Veränderliche, die der Abszisse entspricht, so bleibt die Gleichung (Funktion) nur erhalten oder intakt, wenn sich gleichzeitig auch die andere Unbekannte (Veränderliche) ändert. Mit diesem Zusammenhang ist aber gleichsam der bewegungsmäßige Entstehungsprozeß der Kurve abgebildet, die man sich phoronomisch (Phoronomie = abstrakte Bewegungslehre) als aus zwei zueinander senkrechten Bewegungen eines Punktes entstanden denken kann.
Gilt natürlich nur für das orthogonale Achsenkreuz!
Wenn wir also etwa in unserer obigen Funktion oder Gleichung nacheinander eine Anzahl von Werten etwa 1, 2, 3, 4, 5 usw. „willkürlich“ einsetzen (und zwar für das x), dann erhalten wir die y und damit die Punkte. Das y wäre dann entsprechend 1/2, 1, 1 1/2, 2, 2 1/2 usw. Nun ist aber, wenn wir die so gewonnenen Zahlenpaare oder Punkte etwa miteinander in der Zeichnung durch eine „Kurve“ verbinden, etwas Weiteres vorausgesetzt. Nämlich, daß sich zwischen je zweien der gewonnenen Punkte stets auch noch andere finden lassen, zwischen diesen wieder andere usw. ins Unendliche. Es wird, kurz gesagt, vorausgesetzt, daß die Funktion stetig ist, also einem stetigen Kurvenverlauf entspricht. Dies ist nun durchaus nicht bei jeder Funktion der Fall. Es gibt Funktionen, deren Bildkurve plötzlich abreißt, die sogenannte vereinzelte oder singuläre Punkte außerhalb des Kurvenverlaufs zeigen, durch Schnitt der Kurve mit sich selbst Doppelpunkte enthalten usw. Wir müssen also stets die „Kurvengleichung“ oder „Funktion“ genau auf ihre Stetigkeit prüfen, da wir sonst allerlei peinliche Überraschungen erleben können.
Nun gibt es einen ungeheuer interessanten, erst so recht im neunzehnten Jahrhundert durch Gauß, Weierstraß und andere ausgebildeten Zweig der höchsten Mathematik, der alle Regeln zu solcher Prüfung lehrt: die „Funktionen-Theorie“. Dazu aber sind Voraussetzungen notwendig, die wir nicht haben, und wir werden deshalb stets nur Funktionen erörtern, bei denen jede Sorge überflüssig. ist. Äußerstenfalls würden wir auf Unstetigkeiten gesondert hinweisen. Bei dieser Gelegenheit erwähnen wir noch den Begriff des „Bereiches“. Es kommt nämlich auch vor, daß eine Kurve innerhalb eines gewissen Teils ihres Verlaufes, also innerhalb eines „Bereichs“ der Funktion, den man etwa durch das x in der Form: „x liegt zwischen n und m“ anmerken kann, stetig verläuft, während sie außerhalb dieses Bereichs allerlei Absonderlichkeiten aufweist. Innerhalb des Stetigkeitsbereichs darf ich dann die Kurve beruhigt als stetige Kurve behandeln.
Wir haben also schon allerlei Erkenntnisse gewonnen, bewegen uns aber noch sehr im Allgemeinen. Wir bringen jedoch diesmal mit Absicht das Allgemeine zuerst, da das Besondere dann für uns leicht sein wird. Deshalb wollen wir noch etwas vorwegnehmen, bevor wir überhaupt eine einzige wirkliche Kurvengleichung kennen. Es ist das Problem der Schnittpunkte, der Tangenten und der Asymptoten. Wenn einander zwei Linien oder Kurven schneiden, dann haben sie an der Schnittstelle (deren es natürlich auch mehrere geben kann) stets einen und denselben Punkt gemeinsam. Die y und die x der Schnittstelle müssen also dort für beide Kurven identisch sein. Da aber zwei Kurven auch zwei Kurvengleichungen haben, deren x und y an allen Stellen außer den Schnittpunkten verschieden sein müssen, darf ich für den Schnittpunkt die X und y der beiden Gleichungen identisch betrachten. Das aber ergibt mir zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten, die ich nach den üblichen Regeln behandeln darf. Hätte ich etwa neben unserer Beziehung eine zweite »Kurve der Gleichung , so ist für den Schnittpunkt oder oder oder und daher weiter . Ähnliche Erwägungen leiten uns bei der Tangente. Diese soll eine Gerade sein, die eine Kurve in einem einzigen Punkte berührt, bzw. bei manchen Kurven in mehreren Punkten. Es wird also auch hier für die Gleichung der Geraden, die die Tangente ist, und für die Gleichung der berührten Kurve das x und das y im Berührungspunkt dasselbe sein müssen, was wieder durch Auflösung der beiden Gleichungen nach x und y geleistet werden kann. Was schließlich die sogenannten Asymptoten betrifft, sind das Gerade, die sich Kurven stets mehr und mehr nähern, ohne sie je zu erreichen. Die Entdeckung solcher Geraden war auch schon im alten Griechenland Anlaß dafür, das Parallelenpostulat vorsichtiger zu behandeln. Denn, wenn es Linien gibt, die sich, ins Unendliche verlängert, einander nähern können, ohne einander zu schneiden, dann ist die Definition der Parallelen als Gerader, die sich einander niemals nähern und daher einander nie schneiden, nicht mehr zureichend. Ebensowenig die Definition der einander Schneidenden, die sich einander nähern und daher einander schneiden müssen. Nun wird man aus den Gleichungen von Kurven und Geraden den Asymptotencharakter dann feststellen können, wenn etwa die Ordinaten der Asymptote denen der Kurve stets ähnlicher werden, je mehr das x wächst. Doch das werden wir bei der Hyperbel näher kennen lernen.
Wir wiederholen, bevor wir zur Ableitung einiger konkreter Kurvengleichungen übergehen, daß in der analytischen Geometrie die Richtigkeit der geometrischen Lehrsätze vorausgesetzt werden darf und sogar vorausgesetzt werden muß. Es ist durchaus kein Zirkelschluß, wenn man im Weg der Analysis schließlich zu Axiomen gelangt. Es ist vielmehr eine Verifikation des geometrischen Aufbaues in rückschreitender oder regressiver Art. Wir dürfen also etwa die Ähnlichkeitssätze der Planimetrie, ohneweiters als gegeben annehmen, ebenso den Pythagoräer usw.


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