Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 168c

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Archimedes (Teil 7)


Der Soldat querte beinahe ängstlich das Heiligtum der Wandelhalle. Er hob sich auf die Zehenspitzen, was um so grotesker wirkte, als dadurch sein Panzer wie ein Bündel von Blechtöpfen zu klappern anhub. Dies veranlasste ihn jedoch zu noch größerer Eile und er stieg schnell die wenigen Stufen in den Hof hinab.
Sie waren nach wenigen Schritten bei einer Gruppe von Marmorbänken, die einen Springbrunnen umgaben. Auf einer der Bänke saß zurückgelehnt ein Mann in fließendem weißem Gewand aus ägyptischer Baumwolle, dessen Augen sich sofort auf Archimedes richteten. Diese Augen hatten jenes bannend Endgültige, das so selten ist. Sie standen irgendwie allein im Raum, beherrschten und entzauberten ihn, sandten Lichtkegel von Gedanken aus, ohne zu forschen oder zu stechen. Sie waren so stark, dass man das Gesicht, die hohe Stirn, die schmale Nase, das vorgebaute Kinn vergaß. Und dass man nicht suchte, ob andere Menschen in der Nähe weilten. Kein Zweifel. Sie weilten in der Nähe. Denn es wurde in gedämpftem Tone, gleichwohl jedoch in rasender Hast und schärfster Betonung weitergesprochen. Und die Gesprächspartner des Sitzenden waren ein würdiger, etwas gebeugter Greis und ein eitler Mensch, der sich bei jedem Satz drehte, den Kopf wiegte, Gesten in die Luft schnitt und ab und zu schrill auflachte.
Plötzlich unterbrach der Sitzende mit einer einzigen kleinen Handbewegung das Gespräch und stand auf.
„Was für einen Gefangenen bringst du uns da, Soldat?“ fragte er mit voller, gelangweilter Stimme. „Ich hoffe nicht, dass man dich beauftragte, uns zu stören.“
Der Soldat war um den Rest seiner Fassung gekommen. Er knickte beinahe ein und bemühte sich bloß noch, militärische Stellung zu bewahren.
„Ich weiß es nicht, hoher Herr Beta“, stotterte er.
„Du weißt es nicht?“ Der Mann im fließenden Gewande lächelte und schüttelte den Kopf. „Aber vielleicht besitzt der Fremde die Gabe der Sprache und sagt es uns selbst, wieso er hierherkommt.“
Erst durch die letzten Worte erwachte Archimedes aus seiner sinnlosen Verträumtheit und eine Welle von Blut schoss in sein Gesicht. Wie betrug er sich hier? Der Name „Beta“ hatte ihm deutlich genug verraten, wem er gegenüberstand. Herr Beta war Eratosthenes selbst, war der Geistesriese, dessentwillen er Syrakus verlassen hatte und hierhergefahren war. Vielleicht für immer. Wer wusste es. Warum aber nannte ihn die ganze Welt Beta? Weil er in allen Wissenschaften und Künsten der zweite war? Und weil man aus heiliger Scheu das Alpha, den Erstrang jeder Kunst, den großen Toten, einem Homer, Pythagoras, Platon, Hesiod, Euripides vorbehielt? Dann war Eratosthenes gleichwohl der Erste der lebenden Menschen.
„Ich bin Archimedes aus Syrakus, erhabener Beta!“ erwiderte er mitten in sein eigenes Gedankenstürmen hinein. „jener Archimedes, dem du in einem ehrenvollen Briefe selbst gestattetest, an der Größe des Museions teilzuhaben. Hier ist dein eigener Brief.“ Und er zog einen Papyros hervor.
Der Greis wendete sich nun ebenfalls herum, während der dritte Mann ohne ersichtlichen Anlass meckernd auflachte.
Eratosthenes aber sagte voll und freundlich:
„Eine unsagbar angenehme Überraschung, Archimedes. Du verzeihst, dass ich überrascht bin. Ich habe aber nicht bloß mit dir Briefe gewechselt.“ Er wandte sich an den Soldaten: „Ich danke dir, Makedonier! Hier hast du Geld. Kauf dir einige Krüge Wein. Es ist heute nicht eben kühl an der Kanopischen Straße. Dein Gefangener ist uns sehr wertvoll.“ Der Soldat war erlöst. Wein statt Kerker. Herrliches Ereignis! Aber verrückt sind sie alle. Wenn er nur schon aus dieser verfluchten Stadt draußen wäre und in den Heimatbergen auf Räuber jagen könnte. Und er verschwand, so lautlos er es vermochte. Eratosthenes aber sprach schon zu Archimedes weiter: „Mein König Philadelphos hat mit deinem König Hiero unter meiner Beihilfe ebenfalls Briefe über dich getauscht. Da erfuhren wir, dass du zwar alles berechnen kannst, niemand aber dich zu berechnen wagt. Und da wagten wir es auch nicht, selbst Konon nicht, der neben dir steht und dich ebenso herzlich begrüßen will wie unser scharfsinnigster Grammatiker Sosibios aus Lakedaimon, der wahrscheinlich aus Freude über deine Anwesenheit sein homerisches Gelächter anschlug.“
Archimedes war trotz der Freundlichkeit des großen Beta verwirrt. Es lag über diesem Museion irgendwie die Starrheit ägyptischen Glases. Man sah durch und durch, alles war klar und unverschleiert, gleichwohl aber stand eine harte Wand zwischen Auge und Geschehen. Man hörte, schaute, ahnte, konnte jedoch nicht greifen wie in der hellen Heimat Syrakus, wo selbst der ihm so vertraute Königshof weniger Würde und Unnahbarkeit atmete als diese drei „Fürsten“ des Museions. Nein, er hatte sich getäuscht, als er eintrat. Er selbst war nichts weniger als ein Fürst des Museions. Er war ein hilfloser Freindling, ein gnädig empfangener Bittsteller.