Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 150c

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Geschichte der Mathematik (Teil 50)


Das eigentliche Kreuz der Mengenlehre bildet bis heute noch die Menge aller Zahlen, die das Kontinuum zusammensetzen. Sicherlich ist die Menge aller Irrationalzahlen, die zu den rationalen hinzutreten müssen, um das Stetige auch wirklich zu füllen, oder besser, um die Stetigkeit zu erzeugen, nicht abzählbar. Die Menge aller reellen Zahlen gehört somit nicht zum Typus . Wohin also gehört sie? Das ist noch nicht geklärt und viele modernste Forscher neigen dazu, den Begriff der Mächtigkeit überhaupt fallen zu lassen.
Wir dürfen uns aber auch hier leider nicht in Einzelheiten verlieren, sondern wollen nur, außer den bereits erwähnten, noch einige Paradoxien anführen, die sich aus der Mengenlehre ergeben. Die bekanntesten Widersprüche liegen in den Begriffen der „Menge aller Kardinalzahlen“ und der „Menge aller Ordnungszahlen“ (Antinomie von Burali-Forti). Es muß namlich zu jeder Kardinalzahl noch eine größere derartige Zahl geben. Daher sind die beiden angeführten Mengen unmöglich und sinnlos. Auch eine „Menge der geraden Ordnungszahlen“ ist sinnlos. Ein weiteres paradoxes Ergebnis wäre nach Zermelo und Russel die „Menge aller Mengen, die einander nicht als Element enthalten“. Ebenso ist die „Menge aller Mengen“ unmöglich und paradox.
In neuester Zeit haben Hausdorff und andere eine ganze Reihe anderer mengentheoretischer Paradoxien, speziell in der Geometrie, entdeckt, die oft zu phantastischen Ergebnissen führen. So kann man beweisen, daß sich die Sonne zerlegen und wieder zu Apfelgröße zusammensetzen läßt, ohne daß etwas weggenommen, hinzugegeben oder komprimiert wird.
Der Begriff der geometrischen „Mannigfaltigkeiten“, wie auch Cantor selbst ursprünglich die Mengen nannte, spielt übrigens schon seit Graßmann und seit Riemann eine große Rolle in der Mathematik. Es handelt sich dabei um den primarsten Aufbaubegriff des Ausgedehnten. Man glaubte nun, und der „gemeine Menschenverstand“ hält dies für selbstverständlich, daß die Menge der Punkte in einer Linie zu den Mengen in der Fläche oder in den Körpern sich verhalten müßten wie zu zu . Die Mächtigkeit dieser Mengen müßten also verschieden sein wie Unendlichkeiten verschiedener Ordnung. Die Mengenlehre leugnet diesen Unterschied und kennt nur eine einheitliche Punktmenge für alle Dimensionen, die stets vom gleichen Grade der Mächtigkeit ist. Sehr unheimlich ist auch etwa folgende Antinomie. Nehmen wir an, wir hätten in einem gewöhnlichen kartesischen Koordinatensystem die Einheit auf der x-Achse etwa als Mikromillimeter und auf der y-Achse als Billion von Lichtjahren gewählt. Die Menge der Punkte in der x-Richtung muß „natürlich“ dieselbe sein wie in der y-Richtung, da ja sonst keine eineindeutige Zuordnung oder Bildung von Zahlpaaren möglich wäre. Wie nun sehen diese Punkte aus? Kann es irgendein Verstand fassen, daß es sich dabei um Punkte handelt? Das müßten doch ebenso „natürlich“ recht ansehnlich gedehnte Gebilde sein, und zwar gedehnt in der y-Richtung. Gut, es sind unendliche Mengen und vor der Unendlichkeit verschwinden solche lächerliche Unterschiede wie das Verhältnis von einem Mikromillimeter zu einer Billion Lichtjahre. Aber? Da gibt es kein „Aber“. Wenn wir nämlich plötzlich die Maßstäbe der Koordinaten tauschen, entsteht nicht etwa eine furchtbare Umwälzung, sondern es geschieht mengentheoretisch und analytisch überhaupt nichts. Nicht einmal die bescheidenste Transformation.
Kurz, faustisch betrachtet, hat sich hier wieder einmal die Kabbala mit den gotischen Spitzbogengewölben verschwistert, die sich in unheimlich-ahnungsschweres Dunkel verlieren. Der Logiker wird nicht erschrecken. Er wird rechnen, wird sondern, prüfen, begrenzen, wird überlegen lächelnd behaupten, es seien gleichsam ungeduldige Kinder, die sich stets unter all diesen rein denkmaschinellen Dingen etwas „Anschauliches“ vorstellen müßten. Man dürfe sich nichts vorstellen, sonst sei man bereits irgendwie mit außermathematischen Ansprüchen verseucht oder gar bloß infantil.
In dieser starren, gläsernen Begrenzung des Magischen wurde und wird auch die Mengenlehre zum Algorithmus ausgebaut und als Untermauerung der Zahlen-, der Funktionen- und der Integraltheorie verwendet. Sie wird mit einem Fingerschnippen sofort wieder ein Überbau der ganzen Mathematik und sogar der Logik. Sie wird überhaupt, wie die Gruppentheorie, zur Überwissenschaft, zur allgemeinen Denkkategorie.
Aber sie zeigt uns, wenn man so sagen darf, überall die Drachenzähne, und mehr als je stehen wir vor der Tatsache, daß jeden Augenblick die Donnerstimme ertönen kann: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!“
Denn die Intuition ist nicht bloß ein Requisit von Kindern, sondern in ihren Spitzenleistungen ein Requisit des Göttlichen. Wieder erhebt sich die dunkle Frage, ob wir Menschlein vollkommen ungestraft den Bereich der „Ge oikouméne“, der bewohnten Erde, verlassen und uns jenseits dieser Grenzen im Bereich Gottes tummeln dürfen. Ungestraft in dem Sinne, als es sehr fraglich ist, ob wir berechtigt sind, uns in magisch-diesseitigem Überheblichkeitsgefühl einfach die Logik so zurechtzustutzen, wie wir sie eben brauchen. Oder ob wir nicht vielmehr die faustische Verpflichtung haben, die Beruhigung der Logik dort zu verschmähen, wo viel ursprünglichere Hintergründe fühlbar werden. Mathematische Puritaner wird das Wort „fühlbar“ erschrecken oder abstoßen. Auch das Hereinziehen Goethescher Weltkategorien in diesen Bereich wird unzeitgemaß erscheinen, da Goethe unbestreitbar ein unmathematisch strukturierter Geist war, wenn man auch von mancher Seite seine angebliche mathematische Veranlagung zu retten versucht.
(Unsere Ansicht des unmathematischen Goethe wird in schlagendster Art allein durch die Farbenlehre, das Musterbeispiel rein qualitativer und vollstandig quantitätsfremder Physik bestätigt.)
Diese Einschränkung ändert es jedoch nicht im mindesten, daß die gleiche Goethesche Struktur sich auch auf mathematische Bereiche erstrecken kann und erstrecken muß. Wir reden da nicht ins Leere. Geister wie Poincaré, Boutroux und hervorragende Mathematiker in Deutschland, wie Bieberbach, zielen mit ihren neuesten Forschungen in dieselbe Richtung. Und man läßt sich nicht überall dadurch verblüffen, daß die „Streckung der Logik“ eine Pseudo-Logisierung der Mathematik ergibt. Es ist, noch einmal hervorgehoben, ebenso berechtigt, zu behaupten, es existiere gleichsam ein eigener „mathematischer Gegenstand“, ein Reich der Mathematik, das eher entdeckt als erfunden werden muß. Hat man es entdeckt, kann man es logisch oder logistisch, oder wie man will, kultivieren, verallgemeinern und formalisieren. Dieses Reich ist aber so groß, so voll von unerhörten Wundern, daß sich ein aufmerksamer Historiker niemals einbilden kann und einbilden wird, es sei erschlossen oder auch nur erschließbar. Wieder und wieder wird zwischen den gleißend-glatten Fliesen prunkvoller mathematischer Städte das Gras des ewigen Werdens hervorwuchern, und die Städte werden in Schutt und Trümmer sinken, bis neue Baumeister, in neuem, noch ungesehenem Stil, neue Städte bauen, in denen nie gehörte Idiome erklingen werden.
Der Algorithmus aber und die Verallgemeinerung, um wieder rein mathematisch zu sprechen, können riesige und stets riesigere Komplexe umgreifen.
Irgendwo bleibt aber stets jeder „Überzahl“ doch nur die Anzahl zugeordnet, die es erst erlaubt, mit der Überzahl zu rechnen.
Und sowohl der Algorithmus als auch die Verallgemeinerung sind bloß Forschungsgeräte, wenn sie sich auch als Zauberlehrlinge noch so wild gebärden. Man glaubt auch heute nicht mehr so innig wie zur Zeit des großen Laplace an die Allgewalt der industriellen Erschließung der Mathematik durch den Algorithmus. Die besten mathematischen Köpfe wissen aus eigener primärer, unbestreitbarer Erfahrung zu gut, daß neue mathematische Erkenntnisse nicht nur „errechnet“ oder „kalkuliert“ werden, sondern daß die größten Erleuchtungen wie nie gehörte Melodien plötzlich aus Urtiefen herauftönen, die auch ihr Schöpfer nie durchleuchten oder ergründen wird.
Die reinen Tautologisten und Panlogiker wollen in puritanischem Eifer den Kosmos der Mathematik zur Erstarrung und zum Abschluß, die Untergangspropheten der Richtung Spengler dagegen die mathematische Forschung zur Verzweiflung bringen. Wir behaupten dies in keiner Weise degradierend, sondern konstatierend. Gegen beide Tendenzen meldet sich aber nicht bloß religiöses und faustisches Empfinden, sondern geradezu das biologische Urgesetz, so daß man auch auf diesem Felde den Materialismus materialistisch schlagen könnte. Wozu wir noch, um Mißverständnisse zu vermeiden, anmerken, daß wir eine rein instrumentale, panlogische Behandlung der Mathematik als durchaus materialistisch betrachten müssen, da der Instrumentalgedanke in einem anderen Weltanschauiingstypus kaum zureichend widerspruchslos verankert werden kann.
Da aber - und dies möge als versöhnlicher Ausklang dieses Kapitels noch angefügt werden - die scharfe Logisierung der Mathematik und die Mathematisierung der Logik zur Vertiefung unserer Wissenschaft mächtig beigetragen haben, sollen nicht die Auswüchse, sondern eher die Früchte dieses Wachstumsprozesses betrachtet werden. Wir müssen noch einige Provinzen des Reiches der Mathematik durchschreiten, in denen im neunzehnten Jahrhundert mächtige Revolutionen tobten. Trotzdem aber wollen wir vorgreifend feststellen, daß die Beherrscher der „Provinz Algebra und Verallgemeinerung“ das Haus für die Zukunft Wohlgeordnet haben und daß alles bereitsteht, um neue Gaste und Boten aus dem Jenseits gebührend zu empfangen.