Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 243c

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Vom Punkt zur vierten Dimension. Geometrie für Jedermann.

43[editar]

Dreiundvierzigstes Kapitel
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Nichteuklidische Geometrien
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Nun liegt die Mühe eigentlich hinter uns, mit der wir uns das Rüstzeug der elementaren Geometrie zusammentrugen. Gewiß, wir haben bloß die Grundzüge durchforscht und es bliebe innerhalb jedes der bisher erörterten Kapitel noch eine „kleine Unendlichkeit“ von Problemen offen; aber mehr als die Grundzüge wollten wir ja auch nicht leisten. Ebensowenig dürfen wir erwarten, daß wir in den nun folgenden krönenden Abschnitten sehr tief eindringen werden. Aber auch das Wenige wird die Mühe lohnen und wir werden, biblisch gesprochen, das gelobte Land zumindest aus der Ferne erblicken. Und einige seiner Früchte werden wir sogar aus der Nähe betrachten dürfen.
Unheimliche Vorstellungen verbinden sich für den Anfänger und Laien mit den Begriffen „gekrümmter Räume“ und „höherer Dimensionen“. Wir haben uns gegen den Schrecken langsam geimpft. Und wir beginnen mit den gekrümmten Räumen. Da nun für uns das Wort „Raum“ einfach irgendein Rn ist, war uns die Kugeloberfläche ein gekrümmter R2. Und zwar ein positiv und gleichmäßig gekrümmter R2. Der Kreis ist ein positiv und gleichmäßig gekrümmter R1. Schon Isaac Newton hat für die Krümmung ein Maß, das sogenannte Krümmungsmaß, ersonnen, allerdings bloß für den R1. Gauß hat den Begriff dieses Maßes dann auf Flächen ausgedehnt, wobei es, ungefähr gesprochen, darauf ankommt, durch zwei Zahlenwerte die größte und die kleinste Krümmung eines Flächenelementes festzustellen. Wir wollen dies ein wenig erläutern. Man steht dabei auf dem Standpunkt, daß jedes kleinste Teilchen jeder beliebigen Kurve an jeder Stelle auch als winziges Kreiselement aufgefaßt werden kann. Daher hat jedes Element der Kurve an jeder Stelle einen sogenannten Krümmungsradius, d. h. den Radius des Kreises, mit dem es an eben dieser Stelle identisch ist.


So hätte etwa das Stückchen AB der Kurve k den Krümmungsradius und das Stückchen CD den Krümmungsradius . Natürlich müssen, streng genommen, die Punkte AB und CD einander „unendlich benachbart“ sein. Das Krümmungsmaß aber wird durch den reziproken Wert des Krümmungsradius, also durch bzw. ausgedrückt, wobei man noch die Richtung der Krümmung konventionell durch Vorzeichen festlegen kann. In unserem Fall müßte man von und oder von und sprechen, da die Krümmungsradien nach verschiedenen Richtungen laufen, besser, da die Krümmungsmittelpunkte M und M1 auf verschiedenen Seiten der Kurve liegen. Um das Gauß'sche Krümmungsmaß einer Fläche zu erhalten, legt man durch das zu messende Flächenelement zwei senkrechte Schnittebenen, die außerdem zueinander senkrecht stehen.


Wir erhalten als das Krümmungsmaß dann das Produkt der beiden Krümmungsmaße der beiden Kurvenelemente, die sich durch den Schnitt der Ebenen ergeben, also oder . Ist eine der Kurven so gekrümmt, daß die beiden Krümmungsmittelpunkte auf verschiedenen Seiten der gekrümmten Fläche liegen, dann muß oder negatives Vorzeichen erhalten. Dadurch wird aber der ganze Bruch negativ und wir sprechen von Flächen negativer Krümmung oder Sattelflächen, die wir in der Figur zeigen.
Wenn nun, wie immer man auch die Schnittebenen die krumme Fläche schneiden läßt, beide Krümmungsradien sich stets als einander gleich ergeben, dann haben wir eine Fläche positiver oder negativer konstanter Krümmung vor uns, deren Krümmungsmaß naturgemäß, da , stets sein muß.
Dabei ist die Gleichheit natürlich stets bloß für die Absolutwerte von und behauptet. Es heißt also hier soviel wie
Solcher Flächen gibt es drei Arten. Sind beide positiv, dann handelt es sich um die Kugelfläche (sphärische Fläche). Sind und zwar dem Wert, nicht aber dem Vorzeichen nach gleich, dann erhalten wir die negativ konstant gekrümmte Fläche, die an jedem Punkt der regelmäßigen Sattelfläche gleichen muß, und die manchmal allgemein als Pseudo-Sphäre, bezeichnet wird. Bis Beltrami (1868) glaubte man, diese Fläche sei eine imaginäre Kugel, da sich aus einem Kugel-Radius tatsächlich das Krümmungsmaß gewinnen läßt. Heute weiß man jedoch, “daß dieser Bedingung auch höchst reellpunktige Flächen entsprechen können. Nimmt man schließlich den Krümmungsradius positiv oder negativ gleich unendlich an, dann erhält man als Krümmungsmaß der Fläche oder , was beides bekanntlich als Null anzusprechen ist. Diese konstant gekrümmte Fläche des Krümmungsmaßes Null ist aber die Ebene.
Nach dieser Vorbemerkung sind wir nun imstande, die Geschichte der nichteuklidischen Geometrien kurz zu skizzieren, worauf wir dann ihr Wesen schildern können. Wir haben übrigens gelegentlich schon oft über ihre Problematik gesprochen. Wir wissen etwa, daß man bereits im Altertum dem Parallelenaxiom oder -postulat nicht recht traute. Ob dafür die komplizierte Fassung, die Euklid diesem Postulat gegeben hat, allein verantwortlich war, ist zweifelhaft. Tatsachen wie die Hyperbelasymptoten trugen gewiß auch zu diesem Mißtrauen bei, was wir übrigens ebenfalls schon ausführten. Man mühte sich also, das Postulat zu „beweisen“, d. h. es auf einfachere Axiome zurückzuführen, und der Byzantinische Mathematiker Proklos (410-485 n. Chr. Geb.) gab ihm eine vereinfachte Fassung, die 'folgendermaßen lautete: „Wenn a eine Parallele zu g durch den Punkt P ist, so gibt es keine zweite von a verschiedene Parallele zu g durch diesen Punkt P.“ Naturgemäß schlugen alle „Beweise“ fehl, und mehr als ein Jahrtausend später ging man dazu über, „Hypothesen“ aufzustellen, nach denen zwei auf einer Geraden errichtete Lote die Basisgerade unter stumpfem oder spitzem Winkel treffen sollten. Im Jahre, 1733 veröffentlichte der Jesuit G. Saccheri sein Werk „Euklid, von jedem Makel gereinigt", in dem er eine solche „Hypothese“ (des stumpfen Winkels) aufstellte und widerlegte. Diese Widerlegung war aber falsch, so daß eigentlich Saccheri mit seinen richtigen Prämissen den Reigen der „Nichteuklidiker“ eröffnete. J. H. Lambert (1728-1777), der beide Hypothesen untersuchte, drang ziemlich weit vor, zog das sphärische Dreieck (Winkelsumme größer als 180°) in den Kreis der Betrachtung, wobei er sich der Äquivalenz von Dreieckswinkelsumme und Parallelenpostulat bewußt war. Er sprach sogar schon von der „imaginären Kugel“. Und G. S. Klügel (1739-1812) sowie der große Geometriker Legendre (1752-1833) stießen gleichfalls auf das Problem, wobei sie es allerdings bei Zweifeln an der Denknotwendigkeit (Apriorität) des Parallelenpostulats bewenden ließen. Oder gar die Falschheit der „Hypothesen“ durch Scheinbeweise zu erhärten suchten. Die große Revolution der Geometrie beginnt so eigentlich erst mit Gauß, der sich schon 1799 mit dem Parallelenpostulat beschäftigte, wie aus seinem Brief an Wolfgang Bolyai hervorgeht. W. Bolyai selbst beschäftigte sich ein Leben lang mit diesem Gegenstand, um schließlich die Nichtigkeit seiner Bemühung einzusehen, Euklid voll zu rechtfertigen. Und nun begann eine der merkwürdigsten Entdeckungs-Gleichzeitigeiten der Wissenschaftsgeschichte, die wir, um nicht zu verwirren, schematisch darstellen müssen:
a) Gauß selbst war dem Geheimnis bald auf der Spur. Er entwickelte selbständig eine widerspruchsfreie Geometrie, bei der das Parallelenpostulat nicht galt und die Winkelsumme im Dreieck kleiner war als 180°. Er veröffentlichte aber nichts darüber und schrieb noch 1829 an den großen Astronomen Bessel, er fürchte das Geschrei der Böotier, wenn er seine Ansicht ganz aussprechen würde. Dieses rätselhafte Verhalten des größten aller Mathematiker harrt auch heute noch der psychologisch-geschichtlichen Aufklärung.
b) Zur grundsätzlich selben Geometrie gelangte der Jurist Schweikart, der seine Gedanken an Gauß weitergab und von diesem Lob erntete.
c) Der Neffe Schweikarts, Taurinus, veröffentlichte als erster im Jahre 1825 Erörterungen über unseren Gegenstand, wobei er sowohl die Hypothese des spitzen als des stumpfen Winkels erörterte und auch von der imaginären Kugel sprach. Er verfiel allerdings wieder in den Fehler Saccheris und behauptete schließlich die Alleingültigkeit des Parallelenpostulats im Sinne Euklids.
d) Erst der Sohn W. Bolyais, der ungarische Genieoffizier Johann Bolyai, baute 1823 eine mit der Gaußschen identische „nichteuklidische“ Geometrie (nach der Hypothese des spitzen Winkels) aus und veröffentlichte sie im Jahre 1832.
e) Ebenfalls unabhängig von allen anderen
Wenn man davon absieht, daß ein Schüler Gaußens Kollege des Russen an der Universität war, der ihm vielleicht von der Beschäftigung Gaußens mit dem Parallelenproblem sprach.
gelangte der Russel. N. Lobatschefskij (1793-1856) im Jahre 1826 zur nämlichen nichteuklidischen Geometrie und legte seine Entdeckung seiner Universität Kasan vor („Kasaner Abhandlung“). Die Veröffentlichung erfolgte 1829-1840. Lobatschefskij stellte seine Geometrie ausdrücklich als gleichberechtigt neben die euklidische.
f) In aller Allgemeinheit bereitete der geniale Bernhard Riemann,fein Schüler von Gauß und später Professor in Göttingen, im Jahre 1854 den endgültigen Sieg der Revolution vor. Seine Habilitationsschrift „Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen“, die Gauß noch anhörte, kennt bereits alle drei Geometrien mit , und , wobei die Winkelsumme des Dreiecks bedeutet.
g) Den vollen Sieg bereiteten dann Beltrami, und F. Klein zwischen 1868 und 1871, die beide die Reellpunktigkeit auch der negativ konstant gekrümmten Fläche, also der angeblichen imaginären Kugel nachwiesen und darüber hinaus das geometrische Weltbild ebenso vereinfachten wie erweiterten.
Dies in Kürze die Geschichte der großen Revolution, der größten vielleicht, die die Wissenschaftsgeschichte kennt; wobei wir noch bemerken, daß der Name „nichteuklidisch“ von Gauß selbst stammt. Uns umschwirrt heute dieses Wort. Es wird sozusagen von allen populärwissenschaftlichen Sperlingen vom Dach gepfiffen. Dies rührt davon her, daß Einstein diese Art von Geometrie auf die Physik anzuwenden begann. Damit soll nur festgestellt sein, daß die Laienansicht, die neueste Physik habe die gekrümmten Räume oder gar die vierte Dimension erfunden, durchaus unzutreffend ist, wovon sich überdies jeder durch einen Blick in die gemeinverständliche Darstellung, die Einstein selbst von seiner Theorie gab, überzeugen kann.
Natürlich ist durch die physikalische Anwendung heute die nichteuklidische Geometrie aktueller geworden. Sie geht jetzt nicht mehr bloß die Mathematiker an, sondern verändert sogar das Bild unseres Kosmos, unsere Vorstellungen vom Weltall, von Unendlichkeit des Weltraumes und von der Absolutheit des Zeitablaufs.
Dies aber nur nebenbei. Wir knüpfen wieder dort an, wo wir die „krummen Räume“ verlassen haben und stellen fest, daß eine krumme Fläche, also ein gekrümmter R2, der zudem noch nach allen Seiten gleichmäßig gekrümmt ist, so daß sich in ihm die Figuren beliebig drehen und verschieben lassen, wegen der Bedingung , das Krümmungsmaß , 0 oder haben muß. Nun würde aber zum Krümmungsmaß 0 es schon genügen, wenn oder gleich unendlich wären. Eine Fläche des Krümmungsmaßes , wobei oder gleich unendlich, hat auch das Krümmungsmaß 0 und ist trotzdem gekrümmt, wie etwa die Mantelfläche des Kreiszylinders oder Kreiskegels. An diesem Beispiel kann man die Genialität des großen Gauß bewundern. Denn er hat vom Krümmungsmaß die euklidische oder nichteuklidische Struktur der betreffenden Fläche abhängig gemacht. Ist das Krümmungsmaß gleich Null, dann gilt in der betreffenden Fläche die euklidische Geometrie und Axiomatik, ist es von Null verschieden, dann gilt eine der nichteuklidischen Geometrien. Tatsächlich haben Zylinder und Kegel „abwickelbare“ Mantelflächen, die sich ohne „Dehnung“ auf- und abwickeln und damit in die Ebene überführen lassen. Zeichne ich auf ein Blatt Papier irgendwelche geometrische Konstruktionen, dann kann ich dieses Blatt um Zylinder oder Kegel rollen, ohne daß sich die Verhältnisse der Figuren ändern. Und umgekehrt. Nur muß man sich den Vorgang der „Ab-“ bzw. „Aufwicklung“ ins Unendliche fortsetzbar vorstellen, da sonst ein Übergreifen der Figuren entstehen könnte. Daher gibt es dann, auch senkrecht zur Achse, auf den abgewickelten Flächen unendlich lange euklidische Gerade.
Wir fragen uns nun, welche g-Linien auf den beiden anderen Typen von gekrümmten Flächen existieren und stellen fest, daß bei , also auf der Kugel, die Größtkreise als g-Linien auftreten. Wir haben das schon untersucht und damit begründet, daß zwei Punkte der Kugeloberfläche, sofern sie beide auf einer Halbkugel liegen und wir den Äquator dieser Halbkugel nicht überschreiten dürfen, stets durch einen Größtkreisbogen in kürzester Art verbunden werden. Falls wir den Äquator überschreiten dürfen, gibt es noch die Ergänzung dieses Bogens zum vollen Kreis als Verbindung der beiden Punkte, die aber jetzt nicht mehr die kürzestmögliche, sondern die längstmögliche Verbindungslinie ist. Wären aber die Punkte beide Gegenpunkte oder Pole, dann sind beide Verbindungslinien gleich lang. Nur gibt es jetzt nicht mehr bloß eine einzige Verbindungsmöglichkeit, sondern deren unendlich viele (durch jeden beliebigen Meridianhalbkreis). Man schränkt daher im allgemeinen der Eindeutigkeit halber die Kugelgeometrie auf eine Halbkugel ein.
Aus der Form unserer g-Linien auf der Kugel folgt weiter, daß hier das Parallelenpostulat nicht gilt. Es gibt auf der Kugeloberfläche überhaupt keine parallelen g-Linien, sondern alle g-Linien müssen einander, gehörig verlängert, in zwei endlichfernen Punkten schneiden. Aus der Nichtgeltung des Parallelenpostulats aber folgt weiter die Nichtgeltung des ihm äquivalenten Satzes von der 180grädigen Winkelsumme im Dreieck, die wir auch schon untersucht haben. Da die „innere“ Geometrie der Kugelfläche der „Hypothese des stumpfen Winkels“ gemäß ist, hat das Kugeldreieck eine Winkelsumme . Der Überschuß über zwei Rechte heißt der sphärische Exzeß und ist proportional mit der Größe der Dreiecksfläche relativ zur selben Kugel. Die innere Geometrie der Kugelfläche ist nun eine nichteuklidische Planimetrie des Typus , Parallelenanzahl = 0, und wird allgemein die elliptische oder sphärische Geometrie genannt. Bei und gleich unendlich, geht sie in die Planimetrie der Ebene oder, was dasselbe ist, in die euklidische Planimetrie über, die auch die parabolische Geometrie heißt und in diesem Zusammenhang als Grenzfall erscheint. Wird nun das Krümmungsmaß , dann entsteht auf dieser negativ gekrümmten Fläche die sogenannte pseudosphärische oder hyperbolische Geometrie, wie sie als erste nichteuklidische Geometrie von Gauß, J. Bolyai und Lobatschefskij entdeckt wurde. Ihre Fläche muß, falls sie konstante Krümmung haben soll, an Jedem Punkt einer Sattelfläche mit zwei gleichen, allerdings verschieden gerichteten Krümmungsradiıen entsprechen. Es gibt, wie man heute weiß, mehrere Rotationsflächen, die dieser Eigenschaft einer „imaginären Kugel“ gemäß sind.


Als häufigste Form der „Pseudo-Sphäre wird die Traktrix-Fläche erwähnt, die in der nebenstehenden Figur als Form a dargestellt ist. Die von Leibniz, und Huygens im Jahre 1693 untersuchte Traktrix-, Zug- oder Schleppkurve entsteht dadurch, daß man etwa eine Uhr an einer Kette auf einen glatten Tisch legt, die Kette spannt und nun den „Zug“ in einer Geraden ausführt, die (auf dem Endpunkt der Kette) zur gespannten Kette senkrecht steht. Der Mittelpunkt unserer Uhr wird sich mit der Zeit dieser Geraden immer mehr nähern, ohne sie je zu erreichen. Die Traktrix nähert sich also asymptotisch der Schlepp-Richtungs-Geraden oder umgekehrt. Lassen wir nun weiters die ganze Traktrixkurve um diese Gerade rotieren, dann entsteht der Tubus-förmige obere Teil der Traktrixfläche, die „imaginäre Halbkugel“ oder obere Pseudosphärenhälfte. Die untere Hälfte ist ihr Spiegelbild, so daß die ganze Pseudosphäre so aussieht, als ob zwei Engelsposaunen mit ihren Trichtern aneinandergelegt wären. Die Spitzen der „Posaunen“ sind unendlich lang und werden stets dünner. Es gibt außerdem noch zwei andere pseudosphärische Rotationsflächen, die bis zu den Rändern unserer Krümmungs-Bedingung genügen. Sie sind aber periodisch, d. h. man müßte in der Richtung der Achse stets wieder neue derartige Flächenstücke aneinanderfügen. Als „pseudosphärische Schultafel“ eignet sich die Form c am besten, wie wir sehen werden.
Nun gibt es natürlich auch im negativ gekrümmten nichteuklidischen Raum R2, also auf der Pseudosphäre, g-Linien als kürzeste Verbindungen zweier Punkte. Wenn man aus solchen „Lobatschefskijschen Geraden“ Dreiecke bildet, wird man die Erfahrung machen, daß hier die „Hypothese des spitzen Winkels“ gilt, daß also bei die Winkelsumme des Dreiecks. Daher tritt auch das Parallelenproblem hier in neuer Form auf. Es gibt nämlich auf der Pseudosphäre zu einer g-Linie durch einen Punkt stets zwei parallele g-Linien. Darüber hinaus gibt es unendlich viele g-Linien, die diese andere g-Linie schneiden, und endlich - eine neue Eigentümlichkeit! - unendlich viele g-Linien, die unsere erste g-Linie weder schneiden noch mit ihr parallel sind. Die pseudosphärische, Bolyaische oder Lobatschefskijsche Geometrie ist also ebenfalls eine nichteuklidische Geometrie, und zwar in unserem Fall derenPlanimetrie auf der Fläche mit wobei und die Anzahl der Parallelen durch einen Punkt gleich 2 ist. Bevor wir diese letzte Tatsache deutlicher zeigen, stellen wir uns die drei Haupttypen der Geometrien zusammen (siehe Tab. etwas weiter unten).
Wir bemerken hiezu, daß sich zahllose, vom Parallelenaxiom unabhängige Sätze der Geometrie finden lassen, die naturgemäß in allen drei Arten von Geometrie gelten müssen. Der Inbegriff dieser Sätze ist dann die „absolute Geometrie“, die man auch „Invariante Geometrie“ oder „Pangeometrie“ genannt hat.


Bevor wir aus diesen Erkenntnissen einige Folgerungen ziehen, werden wir noch eine Konstruktion der sogenannten Lobatschefskijschen Parallelen auf einer „pseudosphärischen Schultafel“ zeigen, die wir zuerst schematisch bringen. Einen Beweis geben wir nicht, da er für uns zu viele Voraussetzungen erfordern würde.
Man hat, um zur g-Linie g' durch einen nicht auf g liegenden Punkt P die beiden Parallelen zu konstruieren, zuerst von P auf g das Lot zu fällen.


Dies geschieht mittels eines pseudosphärischen Lineals, das, wie das Kugellineal sich der Kugel, so der pseudosphärischen Fläche anschmiegt. Der Fußpunkt dieses Lotes sei O. Nun trägt man von O auf g die beliebige Strecke s ab, deren Endpunkt Q ist. Hierauf zieht man von Q eine Senkrechte auf die g-Linie g1, welch letztere man dadurch gewinnt, daß man auf OP in P eine Senkrechte zieht. Wenn man nun mit s als Radius um P einen Kreis schlägt, schneidet er die g-Linie QT in zwei Punkten S1 und S2. Diese Schnittpunkte bestimmen mit P die beiden zu g durch den Punkt P parallelen (Lobatschefskijschen) g-Linien p1 und p2.
Es sind nun alle g-Linien durch P, die g1 unter einem größeren Winkel als schneiden, Schneidende zur g-Linie g. Ist dagegen der Schnittwinkel kleiner als , dann treffen die g-Linien die g-Linie g nicht, ohne jedoch mit ihr parallel zu sein.
Wir hätten noch nachzutragen, daß alle pseudosphärischen Dreiecke infolge ihrer Winkelsumme einen pseudosphärischen Defekt aufweisen, der wie der sphärische Exzeß auf einer und derselben Pseudosphäre mit dem Flächeninhalt des Dreiecks zunimmt. Anschaulich kann man sich das Wachsen sowohl des Defektes als des Exzesses sehr gut so erklären, daß man sich sagt, ein relativ zur gekrümmten Fläche größeres Dreieck nehme, wenn es wachse, desto stärker an der Krümmung und an allen Folgen dieser Krümmung teil.


Daher auch gilt für unendlich kleine Gebiete“ aller drei Geometrien und das euklidische Parallelenpostulat, weil das Flächenelement stets als krümmungslos angesehen werden darf. In „endlichen Gebieten" dagegen gilt die euklidische Geometrie nur in einer Fläche des Krümmungsmaßes 0, also in der Ebene und in den dehnungsfrei- abwickelbaren Flächen, bei denen ist (wie Zylinder- und Kegelmantel).
Nun ist es selbstverständlich, daß die Krümmungsradien weder untereinander gleich sein müssen, noch auch, daß die Krümmung an jeder Stelle der gekrümmten Fläche dieselbe sein muß. Solche nicht konstant gekrümmte Flächen positiver oder negativer Krümmung haben auch jede ihre eigene nichteuklidische Geometrie, falls nicht einer der Krümmungsradien gleich unendlich ist. Nur werden in diesen Flächen die Figuren niemals ohne Dehnung bewegt werden können, da sie sich ja gleichsam ununterbrochen anderen Krümmungsverhältnissen anschmiegen müssen. Bildlich gesprochen, wären die Figuren in der Lage eines aufgeweichten Papierblattes, das auf Meereswogen treibt und jede Sekunde anderen Krümmungen folgen muß.
Es gibt also eigentlich so viele verschiedene Geometrien, als es Arten von gekrümmten Flächen gibt. Und nur in einer verschwindend kleinen Anzahl dieser Geometrien gilt das euklidische Parallelenaxiom, während an sich alle anderen Geometrien gleichberechtigt und in sich geschlossen in unendlicher Mannigfaltigkeit neben unserer gewohnten euklidischen Geometrie bestehen. Daß wir sowenig von den nichteuklidischen Geometrien hören, liegt wohl daran, daß wir keinen Anlaß haben, uns - mit Ausnahme der Kugelgeometrie - in unserer Welt mit nichteuklidischen Geometrieformen zu beschäftigen. Die gekrümmten Flächen, also R2 mit Krümmung, können wir uns stets als in einen euklidischen Raum „eingebettet“ denken und auf orthogonale cartesische Koordinaten beziehen, so daß wir hiebei keinen direkten Anlaß haben, eine „innere“, nichteuklidische Geometrie der betreffenden krummen Fläche zu treiben. Ganz andere Verhältnisse würden natürlich vorliegen, wenn wir uns in einem beliebigen Rn, in dem wir eingebettet sind, bloß einbildeten, er sei euklidisch. Unsere geometrischen Arbeiten wären dann wirklich falsch. Wir werden solche Möglichkeiten sofort im Zusammenhang mit anderen Eigenschaften gekrümmter Räume besprechen.


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