Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 146c

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Geschichte der Mathematik (Teil 46)


Auf der Rückreise von Paris hatte Abel die Absicht, bei Gauß vorzusprechen, dessen Ruhm damals bereits im Zenit stand. Seine Erfahrungen mit Cauchy hatten ihn jedoch derart entmutigt, daß ihn plötzlich innere Hemmungen befielen, die sich bis zur Furcht steigerten. Todkrank floh er zurück nach Ohristiania, wo er noch kurze Zeit hungernd und frierend umherirrte, um eine auch noch so bescheidene Anstellung zu erhalten. Auch dieses bescheidenste Gelingen war ihm versagt. Er starb im Jahre 1829. wenige Tage nach seinem Tode aber langte ein materiell und ideell bedeutendes Berufungsschreiben nach Berlin in Christiania ein und im Jahre 1830 verlieh die französische Akademie dem Toten einen Preis.
Wir unterdrücken jeden Kommentar zu diesem Inferno, in das ein Genie schuldlos geriet, von dem man bei einigem guten Willen hätte wissen müssen, daß es ein Genie war. Jeder Leser von Crelles Journal, und das war die ganze Fachwelt, mußte es wissen. Auch Gauß, dieser rätselhafteste aller Gipfelmenschen, von dem sich erst nach seinem Tode herausstellte, daß er fast alle Erkenntnisse Abels schon im ersten Dezennium des neunzehnten Jahrhunderts, also seit zwanzig Jahren, aus eigenem besaß und gleichwohl schwieg. Vor allem aber wußte es Jacobi, der wahrscheinlich der schuldlose Anlaß des vorzeitigen Sterbens Abels war, da sich Abel in einem angespannten Wettkampf um den Aufbau der Theorie der elliptischen Integrale, die auch Jacobi behandelte, vollständig verzehrte. Wir wollen aber, wie gesagt, nicht pharisäische Tränen vergießen. Denn jeder von uns hat schon Unwürdigen geholfen und Würdige im Stich gelassen. Und es ist fast die Bestimmung mancher Menschen, daß man sie richtig einschätzt und sich trotzdem zu keiner Tat für sie entschließt.
Nun ging das Unheil Abels aber auf einen zweiten Jüngling über, dessen Schicksal mindestens ebenso tragisch war wie das Abels, bei dem es aber nicht von außen, sondern tief von innen heraus die endgültige Katastrophe herbeiführte. Im Jahre 1811 wurde nämlich in Bourg-la-Reine bei Paris ein Kind geboren, das den Namen Evariste Galois erhielt und das schon 1823 das elterliche Haus verlassen mußte, um in die vierte Klasse des Kollegs „Louis le Grand“ einzutreten. Als Evariste Galois fünfzehn Jahre zählte, offenbarten sich bei ihm bereits außerordentliche mathematische Fähigkeiten, die so umfassend waren, daß er sich um die Lehrbücher nicht kümmerte, sondern sich in das Studium der damals bekannten mathematischen Klassiker, vor allem des großen Lagrange, versenkte. Picard, dem wir diese sowie die weiteren biographischen Daten verdanken, sagt, daß Galois schon mit 17 Jahren auf mathematischem Gebiet Erkenntnisse von äußerster Tragweite besessen zu haben scheint. Leider sind die Arbeiten Galois' aus dieser frühen Zeit, die er der Akademie vorgelegt hat, verlorengegangen.
Damals besaß in Paris die von uns schon erwähnte „Ecole polytechnique“ einen außerordentlichen Ruf. Wie ebenfalls schon angeführt, war diese Schule eine Gründung des Kriegsingenieurs De Monge und hatte es in einigen Jahrzehnten ihres Bestehens bewirkt, daß die Verwaltung Frankreichs zunehmend in die Hände von Mathematikern und Ingenieuren gelangte, eine Tatsache, deren Wirkungen auch heute für Frankreich strukturell und sogar machtpolitisch bedeutsam sind. Denn eine „Technokratie“ zeigt stets andere Züge als etwa eine „Juristokratie“ oder gar als eine „Literatokratie“, wie sie im größten Stil durch Jahrtausende in China herrschte.
Es war nur natürlich, daß ein junger Mensch wie Galois das Sprungbrett der „Ecole polytechnique“ als selbstverständlichen Beginn ansah. Er meldete sich auch im Jahre 1829, also als Achtzehnjähriger, dortselbst zur Aufnahmsprüfung, fiel jedoch zweimal durch, weil er sich weigerte, Fragen zu beantworten, die ihm lächerlich und überflüssig erschienen, wie etwa die Frage nach der arithmetischen Theorie der Logarithmen.
Mit diesem abstrusen Ereignis, daß ein Galois bei einer Aufnahmsprüfung in Mathematik durchfällt, ein Mensch, von dem die Größten der damaligen geistigen Riesen hätten lernen können, beginnt die Tragödie. Picard sagt, es scheine leider, daß der unglückliche junge Mensch das Lösegeld für sein Genie in trauriger Art bezahlte. Im gleichen Maß, in dem sich seine mathematischen Fähigkeiten entwickelten, sehe man seinen Charakter sich verdunkeln, der einst fröhlich und offen gewesen; das Gefühl seiner immensen Überlegenheit habe bei ihm einen exaltierten Hochmut hervorgetrieben.
Kurz, Galois bezog tief gekränkt die höhere „Ecole Normale“, gleichfalls eine Gründung De Monges. Doch mußte er auch diese Schule „wegen ungebührlichen Betragens“ schon nach einem Jahr verlassen. Jetzt aber ist die letzte bürgerliche Bindung zerrissen. Galois stürzt sich in die Politik, wird verhaftet, verbringt mehrere Monate hinter den Riegeln des Gefängnisses „Sainte Pelagie“, ohne jedoch trotz all dieser Ereignisse die Mathematik aus dem Blickfeld zu verlieren. Wir besitzen keine näheren Daten, um eine genaue Vorgeschichte der letzten Katastrophe zu schreiben. Manches können wir nur ahnen, wenn wir auf einem alten Stich in dieses trotzige, fast russische Knabengesicht blicken. Und da scheint es uns, daß dieser allzujunge Leib, dieser schmale Knabe von seinen Dämonen zersprengt wurde. Aus einer Liebesgeschichte, so sagt man, entwickelte sich ein Streit, der zum Duell führte. Vielleicht hatte die Braut, die Frau, die Geliebte eines anderen, dem Jüngling ihre Gunst geschenkt. Vielleicht. Sicher ist nur, daß Galois sich seiner Pflicht als Mann nicht entzog, obgleich er wußte, daß er als Genius unersetzbar war. Er fiel in diesem Duell am 31. Mai 1832, noch nicht einundzwanzig Jahre alt.
In der Nacht vor seinem Tode, den er vor sich gesehen zu haben scheint, schrieb er aber einen Brief an seinen Freund Chevalier. Eines der erschütterndsten Dokumente der Geistesgeschichte, da hinter jeder Zeile dieser mathematischen Abhandlung die Knochenfinger und leeren Augenhöhlen des Allwürgers hervorblicken und da sich in der verzweifelten Knappheit der Formulierung das Bestreben zeigt, den letzten Stunden noch all das abzutrotzen, was vielleicht erst weitere Jahre zur Vollreife gebracht hätten.
Doch auch hier wollen wir nicht räsonieren, wollen vor allem nicht einen Menschen bejammern, der stolz und herrisch starb und der auch in seinem „Testament“ keinen Ton von Zaghaftigkeit oder Schwäche zeigt. Gerade Galois ist der Beweis, ist ein leuchtendes Beispiel, daß Mathematik eine Angelegenheit von Männern im besten Sinne des Wortes ist, wo sie sich über gewöhnliche Maße erhebt. Mathematik ist Dienst am Göttlichen, ist Berufung und Erleuchtung, ist Gottnähe und Wahrheitstrunkenheit. Wehe dem, der diese Sprengkraft des Universums als Firlefanz, trockenes Gewäsch oder Gelehrtenschrulle einschätzt. Er wird irgendwann einmal von einem letzten Ausläufer dieser kosmischen Macht erfaßt und wie ein welkes Blatt auf den Kehrichthaufen der Geschichte gewirbelt werden. Wenn er nicht schon vorher in Stumpfheit erblindet. Es ist gewiß und einleuchtend, daß sich nicht jeder mit Mathematik befassen kann und befassen soll. Ebenso gewiß aber ist es, daß die N egierung der Mathematik ein Verbrechen am Geist, an der Kultur und am Aufstieg der Menschheit ist. Wir sind solche Worte einfach den Manen eines Pythagoras, Archimedes, Leibniz und Galois schuldig.
Wir wollen aber jetzt das zeitliche Geschick des tapferen J ünglings, wollen die Kometenlaufbahn dieses allzufrüh Vernichteten beiseiteschieben, um all das deutlicher hervortreten zu lassen, was durch die Leistung des Galois eine mächtige und vielleicht sogar ewige Epoche der Mathematik geworden ist. Und wollen über die Ruhmeshalle, die wir dem trotzigen Knaben errichten, in goldenen Lettern das Wort „Gruppentheorie“ schreiben, das uns fürs erste so wenig sagt, obgleich es fast alles enthält, was heute den Begriff der obersten Regionen der Mathematik, speziell der Algebra, ausmacht. Und was führende Geister, wie etwa Oswald Spengler, zum Glauben veranlaßt hat, die Mathematik habe sich eben durch diese Theorie in nicht mehr zu überbietender Verallgemeinerung vollendet und sei für alle Zukunft gleichsam zur Erstarrung verurteilt. Wir bemerken schon hier, daß wir diese Ansicht durchaus nicht teilen, da alle bisherige Erfahrung der Mathematikgeschichte gegen derartige „Endstadien“ der Erkenntnis spricht. Gleichwohl müssen wir aber ebenso deutlich betonen, daß das Wort „Verallgemeinerung“ im höchsten Maß auf die Gruppentheorie zutrifft. Wir sind dabei jedoch innerhalb unseres Rahmens in keiner guten Lage. Denn wir müßten auch hier wieder ein ganzes Buch schreiben, um diese Theorie halbwegs erschöpfend und wissenschaftlich einwandfrei darzustellen. Trotz aller dieser Einschränkungen aber fühlen wir uns doch verpflichtet, nicht in der Art gewisser Geschichtsbücher der Wissenschaft bloß mit Namen und Fachausdrücken umherzuwerfen. Und wir halten nach wie vor die Vermittlung eines angenäherten Verständnisses für besser als volle Unkenntnis. Dies um so mehr, als Wißbegierige und Fähige oft gerade durch solche skizzenhafte Andeutungen angeregt werden, sich bei Meistern unserer Kunst in aller Strenge und Vollständigkeit erschöpfendes Wissen zu holen.
Der Gruppenbegriff ist für die moderne Mathematik ein ebenso grundlegender und fruchtbarer Begriff wie etwa der Begriff der Größe, des Maßes, der Funktion oder der Menge. Nur ist er womöglich noch abstrakter und umfassender als alle diese aufgezählten mathematischen Kategorien. Deshalb werden wir uns langsam und auf verschiedenen Wegen zum Ziel vortasten. Es sagt uns dabei vorerst sehr wenig, wenn wir als „Gruppe“ ein System von Dingen bezeichnen, das gewisse Eigenschaften, nämlich die sogenannten Gruppeneigenschaften, besitzen muß. Was ist das für ein „System“ und was sind das für „Dinge“? Wir antworten, daß die Dinge sehr verschieden sein können und sein dürfen, die dieses System bilden. Wir werden uns bald präziser ausdrücken, wollen aber vorerst einige Beispiele aus der Mathematik bringen. Also „Systeme mathematischer Dinge“. Denn eigentlich müßten es gar nicht mathematische Dinge sein. Doch wir wollen nicht übermäßig verwirren, sondern vorläufig noch sehr vage erklären, daß etwa sämtliche natürliche Zahlen eine Gruppe bilden. Ebenso sämtliche Logarithmen. Oder etwa die ganze elementare Geometrie. Oder alle Permutationen, die sich aus Elementen bilden lassen. Oder alle Gleichungen einer bestimmten Form, etwa sämtliche algebraische Gleichungen, also Gleichungen, die bloß durch algebraische Operationen verknüpft sind. Oder sämtliche Zahlen, die, durch eine gewisse Zahl dividiert, denselben Rest ergeben usf.
Nun ist aber das Ziel der Gruppentheorie durchaus nicht bloß auf die Feststellung gerichtet, daß irgendeine Mehrheit oder ein System von Dingen einer Gruppe angehört. Sie will vielmehr genaue Kriterien dafür erhalten, ob wirklich eine „Gruppe“ vorliegt. Denn davon hangt es wieder ab, ob man mit der Gruppe als solcher operieren kann, d. h. ob man sie etwa zu anderen Gruppen in Beziehung setzen oder ob man aus den Beziehungen innerhalb einer Gruppe auf Beziehungen innerhalb einer anderen schließen darf. Wir werden zur Verdeutlichung dieses Gedankens auf ein uns geläufiges Beispiel zurückgreifen, namlich auf die Logarithmen. Nehmen wir inzwischen ohne jeden weiteren Beweis an, die Logarithmen der rationalen Zahlen seien tatsachlich eine Gruppe und die rationalen Zahlen seien ebenfalls eine Gruppe. Beides sind auf jeden Fall unendliche Gruppen, denn es gibt unendlich viel rationale Zahlen und unendlich viele entsprechende Logarithmen. Die Zahlen bzw. die Logarithmen sind die sogenannten „Elemente“ der beiden Gruppen. Die Gruppentheorie aber fordert als erste Gruppeneigenschaft, daß eine Vorschrift vorliege, die ein Element und ein anderes Element des Systems eindeutig verknüpft, d. h. ein definiert, wobei die Art der Verknüpfung durchaus nicht festgelegt wird. Und wobei weiters und identisch sein könnten. Wir dürfen also zwei Elemente etwa addieren, subtrahieren, dividieren, multiplizieren usf. Dabei - und dies ist die zweite Gruppeneigenschaft - muß das Ergebnis dieser Verknüpfung stets wieder ein Element des Systems sein. Bei den rationalen Zahlen ist uns diese Eigenschaft durchaus geläufig. Das Produkt zweier rationaler Zahlen ist stets wieder eine rationale Zahl. Aber auch die Summe zweier Logarithmen ist wieder ein Logarithmus. Wir haben für unser Beispiel konkrete Verknüpfungsarten festgelegt. Das ist natürlich zulässig, sogar im konkreten Fall notwendig.
Als weitere Gruppeneigenschaft wird das Prinzip der Assoziativität gefordert, das besagt, daß stets gleich ist , daß man also die Elemente bei der Verknüpfung zu beliebigen Komplexionen zusammenfassenkann, ohne daß sich' das Ergebnis ändert. So ist sicherlich dasselbe wie 3 \cdot (5 \cdot 8) und ebenso ist dasselbe wie .