Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 110c

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Geschichte der Mathematik (Teil 10)


Wenn nun die Hellenen auch durch die Methode des Eudoxos in den Besitz einer logisch vollgültig gesicherten Infinitesimalmethode gelangt waren, so fiel es ihnen gleichwohl durchaus nicht ein, diese Methode zu Verallgemeinern. Sie führten vielmehr, wie wir an Euklid gezeigt haben, den Exhaustionsbeweis in jedem Fall gesondert durch und suchten im übrigen die Quadraturen und Kubaturen nach Methoden zu bewältigen, die ihnen dem Wesen echter Geometrie angemessener erschienen. Wir müssen aber jetzt zum Helden dieses Kapitels zurückkehren, von dem wir zuletzt berichteten, er sei im Jahre 212 v. Christi Geburt durch die blindwütige Roheit eines römischen Solaten als Vierundsiebzigjähriger getötet worden. Sein letzter Kampf für die Polis, die Vaterstadt, ist tief symbolisch. Er zeigt, daß sich die hellenische Mathematik in ihrer stolzen Vereinsamung erst dann der Wirklichkeit zuwandte, als es bereits zu spät war. „Gebt mir einen Punkt außerhalb der Erde, und ich werde sie aus ihrer Bahn rücken“, hat derselbe Archimedes stolz gesagt, der zwar noch einige römische Kriegsschiffe zerschmettern, sich selbst aber und sein Volk nicht mehr vom Untergang erretten konnte. Was ist nun diese „Wirklichkeit“, der die Mathematik das eine Mal ferner, das andere Mal näher stehen kann? Das müssen wir jetzt untersuchen.
Unser Geist hat zwei formale Möglichkeiten, aus dem ursprünglichen Chaos den Kosmos zu gewinnen. Diese Möglichkeiten oder Anschauungsformen sind nach Kant der Raum und die Zeit. Beide vereint aber ergeben die Bewegung. Und das Lebendige hat an beiden teil. Die alten Hellenen neigten dazu, die Erforschung des formalen Raumes, der ja die eigentliche Welt des Auges ist, in den Vordergrund zu schieben. Sie versuchten verzweifelt, in heutiger Sprache gesprochen, stets nur „Momentbilder“ der Welt zu gewinnen und diese dann auf ihre Beziehungen zu untersuchen. Oder diese Beziehungen zu erzeugen. Architektonik und Plastik sind die künstlerischen Ausdrucksformen solcher Geistesstruktur. Die Anhänger Heraklits aber, die Fanatiker des „Panta rhei“ (alles fließt), Wollten Wieder bloß den „Film“ des Geschehens betrachten und alles Gewordene aus dem Gesichtswinkel des Werdens heraus begreifen. Ihre Grundveranlagung ist eine dynamische und historische. Historisch allerdings nicht im Sinne der Geschichtsforschung, sondern im Sinne entwicklungsgeschichtlicher Weltbetrachtung. Nun führt die Überbetonung des eleatischen Standpunktes von der Wirklichkeit Weg zu einer Art von Nirwana, Während der konsequent prometheische Zug der Heraklitschule dem Fortschritts-Wahn und der Veräußerlichung verfällt. Dem Leben selbst aber, dessen Gesetz nach den Worten der Pythagoreer gerade das Ungesetz des Irrationalen ist, kann man mit keiner der beiden Weltansichten voll deckend genügen. Dem Glück, der „Euousia“, mag das Sein mehr entsprechen. Dem Widerstreit im Lebendigen eher das rasende Werden.
Aus dieser Geistesverfassung heraus hat es die griechische Mathematik bis auf Archimedes versäumt, über die Brücke der Mechanik zur Wirklichkeit einer Technik vorzustoßen, die der Möglichkeit nach stets in ihr lag. Jahrhundertelang konnte dieser Mangel durch die körperliche und moralische Tüchtigkeit der Menschen Wettgemacht Werden. Als aber Hellas mit der überlegenen Organisationsfähigkeit und der Weit höheren Gemeinschaftsmoral Roms zusammenstieß, da zeigte es sich bei der Belagerung von Syrakus, daß das Hellenentum sich als Ganzes für das Ideal euklidischer Formreinheit geopfert hatte. Es War jetzt zu spät, der einzelne, Wie ein Archimedes, konnte die Katastrophe nicht mehr aufhalten. Denn von nun an begann Rom, Wenn auch langsam und mißverstehend, den griechischen Geist, der im Sterben zur Wirklichkeit erwacht war, für die Zwecke seiner Weltherrschaft zu benutzen.
Wir wollen aber nicht ungerecht sein. Denn einem Archimedes war es trotz allem nur darum möglich, die Mathematik in letzter Konsequenz zu „verwirklichen“, weil er auf dem sicheren Fundament euklidischer Unangreifbarkeit weiterzubauen vermochte.
Wodurch also unterschied sich Archimedes von den meisten seiner Vorgänger? Wodurch mutet uns sein ganzes Denken und Schaffen so neuzeitlich an? Es ist wohl auf allen Linien und Gebieten seine prometheische Art, die diesen Eindruck erzeugt. Er setzte sich über alle Vorurteile hinweg, um die „Wirklichkeit“ zu bezwingen. Diese „Wirklichkeit“ aber wieder trieb ihn weiter und weiter. Denn sie duldet kein beschauliches Verweilen bei reinen Formen und Proportionen. Es gibt in der Natur sehr selten auch nur halbwegs angenäherte geometrische Figuren. Alles ist körperlich, und die Körper sind unregelmäßig. Man muß dieser Unform mit allerlei Schlichen an den Leib rücken, muß vor allem die Methode des Unregelmäßigen ausbilden, das heißt, man muß Wege finden, das Gekrümmte und das Formlose zu beherrschen. Solche Probleme aber treiben den Geist zwangsläufig zum Irrationalen oder zum Infinitesimalen, da das Maß stets von der Geraden ausgeht, jede Kurve somit rektifiziert (gerade gestreckt), jede krummlinig begrenzte Fläche quadriert und jeder derart gebaute Körper kubiert werden muß. Dabei aber gibt es keine stolze Abkehr vom Rechnerischen, wenn man die Dinge bis auf den Grund durchforschen will.
Archimedes entzog sich keiner dieser Forderungen. Er war einer der blendendsten Rechenkünstler aller Zeiten. Die Tatsache, daß die Kreiszahl π zwischen
und betrage (was er dann abgekürzt als
und
in die Mathematik einführte), ist ihm ebenso geläufig wie Quadratwurzelausziehungen
oder
,
wobei für uns das Zeichen ≈ bedeuten soll, daß der gefundene Wert nur ungefähr stimmt.
Nun wurde am Hofe des Königssohnes Gelon von Syrakus einmal darüber gesprochen, daß sich das griechische System der Zahlenschreibung durchaus nicht gut zur Darstellung sehr großer Zahlen eigne, und man mag sich, wissenschaftlich ästhetisierend, in die Unendlichkeit der Größe nach oben und unten verloren haben.
Wobei Archimedes vielleicht für das Unendlichkleine die Exhaustion oder eine fallende geometrische Reihe als Beispiel anführte, die ja, wie etwa
1, , , , ... sehr bald in das Dunkel ununterscheidbarer Winzigkeit verschwindet. Wie aber steht es mit dem unendlich Großen? Kann man das auch an Figuren, an kleiner werdenden Dreiecken aufzeigen? Nein, man kann es nicht. Man kann, so rief wohl einer aus, solche Größen wohl nur an der Natur demonstrieren. Die Anzahl der Sandkörner an den Strandküsten Siziliens sei sicherlich unzahlbar, unendlich.
Einige Tage später erhielt Kronprinz Gelon eine Schrift, deren Anfangssätze lauteten: „Manche Leute, mein Kronprinz Gelon, glauben, die Zahl des Sandes sei von unbegrenzter Größe. Ich meine nicht die Zahl des um Syrakus und sonst noch in Sizilien befindlichen Sandes, sondern auch des Sandes auf dem ganzen festen Lande, dem bewohnten und unbewohnten. Andere gibt es wieder, die diese Zahl zwar nicht als unbegrenzt annehmen; sondern sie meinen, es sei noch niemals eine so große Zahl genannt worden, daß sie die Sandzahl übertrifft. Wenn sich nun diese Leute einen so großen Sandhaufen dachten wie die Masse der ganzen Erde, dabei sämtliche Meere ausgefüllt und alle Vertiefungen der Erde so hoch wie die höchsten Berge zugeschüttet, so würden sie gewiß um so mehr glauben, daß keine Zahl zur Hand sei, die Menge dieses Sandes noch zu überbieten. Ich aber will nun mittels geometrischer Beweise, denen Ihr, o Prinz, beipflichten werdet, zu zeigen versuchen, daß unter den von mir benannten Zahlen, die sich in meiner Schrift an Zeuxippos befinden, einige nicht nur die Körnerzahl eines Sandhaufens übertreffen, dessen Größe der Erde gleichkommt, wenn sie nach meiner obigen Erklärung ausgefüllt wäre, sondern auch die einer Sandmenge, deren Größe dem Weltall gleich ist.“
Archimedes hat dieses Wort eingelöst. Er zeigt, daß es leicht möglich sei, sogenannte „Oktaden“ zu bilden, das sind Zahlengruppen des Zehnersystems, deren erste die Myriade zur zweiten Potenz, also ??? 108 oder 100.000.000 beträgt. Die zweite Oktade reicht von (108 + 1) bis 1016, die dritte von (1016 + 1) bis 1024, und so fort bis 10800.000.000, d. i. eine Zahl mit 800.000.000 Nullen. Damit aber ist erst die „erste Periode“ zu Ende, auf die man auch weiter bauen kann oder die man sogar durch Wahl und Erfindung eines eigenen Wortes zur neuen Einheit machen könnte, und so fort ins Grenzenlose. Wenn man nun weiter annimmt, daß ein Sandkorn der zehntausendste Teil eines Mohnkornes ist, von dem wieder 40 auf eine Fingerbreite gehen; wenn man weiter fordert, der Erdumfang sei 55.000 km (in Wirklichkeit ist er 40.000 km) und die Sonne sei von der Erde 925 Millionen Kilometer entfernt (richtig 150 Millionen Kilometer); wenn man schließlich das Sonnensystem nur als winzigen Teil der Weltkugel (Fixsterngewölbe) ansetzt, deren Durchmesser sich zum Bahnkreise der Erde wie dieser zum Zentrum verhalten möge: dann erhält man als Durchmesser des Weltalls Billionen Kilometer oder fast ein Lichtjahr, wie wir heute sagen. Nun ist diese Kugel schon durch 1063 Sandkörner, also durch eine ganz am Beginn der „ersten Periode“ liegende Zahl, durch eine Zahl der siebenten „Oktade“ erfüllt.
Wir müssen bei diesem Ausblick ins unendlich Große noch etwas verweilen. Zuerst fallt es uns auf, daß der prometheisch-revolutionäre Geist des Archimedes nicht davor zurückschreckt, die „bewohnte Erde“ seines Freundes Eratosthenes, des großen Bibliothekars von Alexandria, des „Herrn Beta“ zu verlassen und sich mit Aristarch von Samos in die weiten Sternenraume hinauszuwagen.
[Angeblich hieß Eratosthenes „Herr Beta“ so mit einer Art von Spitznamen, weil er auf allen Gebieten der zweitgrößte Geist des Altertums war. Den ersten Rang α reservierte man aus Ehrfurcht den Geistern der Vergangenheit. Es ist derselbe Eratosthenes, von dem das „Zahlensieb“, die bis heute einzig anwendbare Methode zur Auszählung der Primzahlen, herrührt.]
Aristarch hatte ja bereits das geozentrische System verlassen und war zum heliozentrischen System übergegangen, ohne allerdings innerhalb der antiken Welt damit durchzudringen. Erst Kopernikus und Galilei bauten auf dem System des Aristarch weiter. Archimedes selbst war Geozentriker. Aber er lehnte das System Aristarchs anscheinend nicht ab, da er wahrscheinlich schon die Relativität aller Bewegung voll durchschaute. Weiters frappiert uns bei dieser „Sandrechnung“ die Ähnlichkeit des Zahlenrausches mit indischen Vorbildern. Tatsächlich kehren derartige Zahlenüberschwenglichkeiten an keiner Stelle der antiken Mathematik wieder. Die Rechenkunst des Archimedes erschöpfte sich durchaus nicht in dieser Sandrechnung. Auch nicht in der Rektifikation und Quadratur des Kreises, deren Ergebnisse (sie sind auf weniger als 0,6 Promille genau!) wir schon erwähnt haben. Es traten nämlich bei andern Gelegenheiten allgemeinere Rechenprobleme auf, die man als algebraisch bezeichnen muß. So etwa bei der Quadratur der Spirale die Summierung einer arithmetischen Reihe zweiter Ordnung. Popular gesagt, handelt es sich dabei um beliebig fortgesetzte Addierung von Quadratzahlen,
etwa 1 + 4 + 9 + 16 + 25 + 36 + ... + n².
In unglaublich scharfsinnigen Beweisketten findet Archimedes hierfür Ergebnisse, die, umgeformt, unserer Formel
entsprechen.
Ebenso, ist es ihm ein Leichtes, die gelegentlich der Quadratur der Parabel auftretende fallende geometrische Reihe
+ ... zu summieren.
Ob Archimedes bei dieser letzteren Summierung bereits das volle Bewußtsein einer Summe unendlich vieler Glieder einer offensichtlich konvergenten Reihe vorschwebte, wie wir sie heute nach der Formel
leisten, wodurch sich für + ... die Summe
ergäbe, ist zweifelhaft.
Der Exhaustionsbeweis arbeitet ja seit Eudoxos absichtlich nicht mit dem unendlich Kleinen. Man sagt vielmehr, daß sich die „Ausschöpfung“ des Parabelsegments durch Dreiecke, von denen die folgenden an Flächeninhalt stets ein Viertel der vorherigen ausmachten, weiter und weiter fortsetzen lasse. Stets werde man zu jeder noch so kleinen Größe durch Fortsetzung des Verfahrens noch kleinere Dreiecke finden. Und zwar sagt Archimedes, daß die Summe obiger Reihe (also die endliche Summe von n Gliedern) stets um den dritten Teil des jeweils kleinsten Gliedes kleiner sei als .
Das heißt also
Da nun aber trotzdem stets ein Unterschied, wenn auch ein beliebig kleiner, zurückbleibt, folgt die Unmöglichkeit, daß die Aufsummierung der Dreiecke größer sei als das Parabelsegment. Da aber weiters dieser Unterschied unter jede beliebige Größe gebracht werden kann, darf man apagogisch schließen, daß das Parabelsegment auch nicht kleiner sein kann als des Ausgangsdreiecks.
Oder schärfer: keine der beiden Flachen kann größer sein als die andere. Daher sind die beiden Flachen gleich. Folglich ist die Fläche des Segments gleich des Ausgangsdreiecks.
Archimedes ist aber nicht bei Kreis, Parabel und Spirale stehengeblieben. In weiteren kühnen und genialen Exhaustionsbeweisen bestimmte er als erster in der Wissenschaftsgeschichte die Oberfläche und den Rauminhalt der Kugel als
bzw.
Die Zahl π wird natürlich in seinen Schriften nicht so genannt, wie wir es heute zu tun gewohnt sind. Wir bedienen uns nur der Verständlichkeit halber der modernen Schreibweise. Dies halten wir auch fest, wenn wir sagen, der besondere Stolz des Archimedes sei die Aufstellung des Verhältnisses
gewesen, womit er das Kubikinhaltsverhältnis von Kugel, Zylinder und Kegel angab, wenn die Grundfläche von Zylinder und Kegel den Flächeninhalt des Größtkreises der Kugel und die beiden Körper als Höhe den Kegeldurchmesser besitzen. Aber auch dabei blieb er nicht stehen. Er bestimmte, ebenfalls als erster, den Flächeninhalt der Ellipse als
F = abπ, wobei a und b die beiden Halbachsen sind.
In einer Schrift über die Konoide und Sphäroide fand er zudem noch den Rauminhalt des Rotationsparaboloids (Konoide) und des Rotationsellipsoids und Hyperboloids (Sphäroide). Also eine auf alle zugänglichen Kurven und von Kurven erzeugten Umdrehungskörper angewendete Infinitesimalgeometrie, deren vollste Bewußtheit und Planmäßigkeit nur ein doktrinärer Tor bestreiten könnte.
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