Curso de alemán para avanzados con audio/Lección 020
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Audio Offener Brief eines anonymen Atomlobbyisten. (im Radio; März 2011; kurz nach Fukushima)
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Sehr geehrte Atomkraftgegner,
- ich arbeite seit Jahren für die Gegenseite und möchte an dieser Stelle, sprich: zu diesem Zeitpunkt, eine ungewöhnliche Maßnahme anbieten. Ich möchte, dass ihr teilhabt an unserer Denke. Ja, wir sind auch jetzt noch zu einhundert Prozent für Atomstrom und wir möchten euch einladen unseren Argumenten ohne Emotionen zu folgen. Dann, und da sind wir ganz sicher, werdet ihr verstehen, warum wir an dieser Hochtechnologie weiter festhalten, auch nach Tschernobyl, und auch wenn Tokio vielleicht schon übermorgen unbewohnbar geworden ist und es in Japan Millionen Opfer gibt. Also lehnt euch zurück, denn das, was ich in diesem offenen, wenn auch anonymen Brief, zu sagen habe ist elementar, gerade für euch und eure zukünftige Denkweise über AKWs im allgemeinen und uns die Betreiber im Speziellen.
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- 1. AKWs sind Hochtechnologie, aber das spielt für uns, die Betreiber, eher eine untergeordnete Rolle. Für uns sind AKWs das beste Geschäftsmodell, das je erfunden wurde. Warum? Nun, anders als die Produkte aus der Hochfinanz zum Beispiel, die ja im Grunde Luxusprojekte sind, die Reiche noch reicher machen, ist das, was wir anbieten ein Stoff, der wirklich gebraucht wird: Energie, Strom. Mit Strom kann man definitiv Geld verdienen, sehr viel Geld. Wir, die großen Atomstromproduzenten wissen, dass es ohne Strom ja nicht geht, schon gar nicht in einer Industrienation. Deshalb, und nur deshalb, produzieren wir Atomstrom. Denn wir wissen: ihr werdet ihn uns abkaufen. Natürlich ist es den meisten von euch im Grunde genommen egal, welche Art von Strom aus der Steckdose kommt. Das haben unsere jahrzehntelangen Marktforschungen ergeben. Euch interessiert vor allem der Preis. Strom muss billig sein, denn das, was ihr für Strom nicht ausgeben müsst, könnt ihr zum Beispiel in andere Konsumgüter stecken: Alufelgen oder Sitzecken, Doppelhaushälften, Tennisunterricht, Fernreisen. Wir wissen, dass ihr auf dieses Luxusleben nicht mehr verzichten wollt oder verzichten könnt. Und wir helfen euch dabei, indem wir unseren Strom so billig wie möglich anbieten. Atomstrom ist billig, es sei denn man schaut genau hin. Denn dann, das geben wir zu, ist Atomstrom so wahnsinnig teuer, dass wir ihn nie und nimmer produzieren würden. Er würde uns, die großen Energiebetreiber, unmittelbar und für alle Zeiten ruinieren. Dass dem nicht so ist, verdanken wir mehreren Umständen.
02 (2:12)
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- 2. Der Grundstoff, aus dem wir Atomstrom machen, Uran, ist für uns, wenn wir ihn einkaufen, enorm billig. Denn wir zahlen den Uran-Minen im Ausland nur ein paar Peanuts. Das ist dort dann aber, zum Beispiel in Zentralafrika, also dem Niger, sehr, sehr viel Geld. Dort spielt Umweltschutz oder Schutz von Arbeitern auch überhaupt keine Rolle. Wir setzen ganz offen auf politisch höchst zweifelhafte Führer, manche würden sie Diktatoren nennen, um so billig wie möglich an dieses Uran heranzukommen. Das klappt wirklich sehr gut. Ja, es gibt in diesen Ländern grauenhafte Umweltverschmutzung, ja es gibt schlimmste Verseuchung der Bevölkerung, aber - und das müsst ihr mal begreifen - das ist nicht unser Business, unser Business ist Atomstrom. Und die Kosten, die wir bei der Beschaffung des Grundstoffes sparen, landen in unseren Taschen. Wir wollen Geld verdienen. In allen anderen Bereichen habt ihr das auch akzeptiert. Zum Beispiel wenn es um billige Lebensmittel geht oder billige Flugreisen oder billige Leiharbeiter oder billige Callcenter-Mitarbeiter. Na also, das Prinzip ist euch ja nicht fremd. Nur bei uns, den Atomstromproduzenten, ist euer eigener Lifestyle, nämlich „Geiz ist geil“ plötzlich unverantwortlich. Und das, das finden wir verlogen und deshalb lassen wir uns ausgerechnet von euch auch nicht Verlogenheit vorwerfen.
03 (3:20)
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- 3. Sicherheit: Ich gebe zu: es gibt keine sicheren Atomkraftwerke im Sinne von: „da wird nie was passieren“. Natürllich kann was passieren und es passiert ja auch jeden Tag irgendwas, was wir melden müssen. Aber, und das würdet ihr genauso machen, wenn es eure AKWs wären, das hängt man doch nicht an die große Glocke. Das was ihr einen Super-GAU nennt, ist eine Form des Unfalls, der sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Das könnt ihr schon daran erkennen, dass er nicht alle Tage vorkommt. Aber, und das ist die Art, wie wir die Dinge sehen, wenn er vorkommt, haben wir - die Betreiber - eh nicht für die Folgekosten aufzukommen. Es gibt weltweit keine Versicherung, die uns in dieser Frage eine Police verkauft. Wir sind und wir wären im Falle eines Super-GAUs einfach nicht zuständig. Ich wiederhole mich, aber das ist nicht unser Business. Wir sind nicht die „Ärzte ohne Grenzen“ oder die „Internationalen Ärzte zur Verhinderung des Atomkrieges“. Wir sind auch nicht irgendein Krebsforschungszentrum oder irgendeine Behörde, eine Organisation, die auf die Folgen von Radioaktivität hinweist. Wir sind Atomstromproduzenten, weil mit Atomstrom richtig Reibach gemacht werden kann. Reibach, von dem ihr - die Gegner - noch nicht mal eine Ahnung habt. Nur ein Beispiel: wenn jetzt in diesem Moratorium, ja, ein paar Meiler für drei Monate vom Netz müssen, machen wir für rund 500 Millionen weniger Cash. Natürlich bleiben noch immer jede Menge Milliarden an Plus übrig. Aber unser Ziel ist, und war ja immer den Gewinn zu steigern, zu steigern und zu steigern. Das ist unser eigentliches Kerngeschäft.
04 (4:43)
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- 4. Abfälle: Mal unter uns liebe Atomstromgegner, wir kennen eure Argumente, in- und auswendig, und sie sind richtig. Es gibt weltweit kein einziges Atommüllendlager, von dem wir ernsthaft behaupten könnten es sei so sicher, dass man dort unseren Müll problemlos eine Million Jahre verbuddeln könnte. Niemand, also wirklich niemand, weiß, was sich unter der Erde in den nächsten 10, 30 oder 250.000 Jahren tut. Fest steht, dass die Erde selber höchst beweglich ist. Es gibt Erdbeben, es gibt Vulkanausbrüche, es gibt Umweltkatastrophen, es gibt Dinge, die kein Mensch seriös zu einhundert Prozent ausschließen kann. Schon dieses Endlager Asse säuft ja im Moment ab. Das wissen wir selber. Aber das hat mit uns, den AKW-Betreibern, ebenfalls nichts zu tun. Wir sind, und das könnt ihr gerne nachlesen, für den Müll, den wir produzieren, nicht verantwortlich. Der Staat ist verantwortlich und der bezahlt das ja dann auch immer, also irgendwie, genau wie er die Castor-Transport bezahlt - von euren Steuergeldern. Glaubt ihr im Ernst, wir die Atomstrombetreiber wären bereit auch nur ein einziges AKW am Netz zu halten, wenn wir diese Kosten tragen müssten. Dann würden wir definitiv Minus machen. Und ich sage es hier nochmal: wir sind Experten. Wir sind Experten im Plusmachen, nicht im Minus.
05 (5:54)
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- 5. Lobby: Ja, wir sind verdammt gut aufgestellt, weltweit. Das gebe ich zu. Und mal unter uns: es lohnt sich doch. Wenn ihr an unserer Stelle wärt, ihr würdet doch dasselbe tun. Und andere Industriezweige verfolgen exakt dieselbe Praxis. Ihr, die Gegner von Atomstrom übrigens auch. Was ist denn eine Lobby? Eine Lobby ist eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die versucht ihre Interessen mit allen Mitteln durchzusetzten, weil sie davon profitiert. Das ist ein Teil der Demokratie. Aber, und das wird von euch immer wieder vergessen, Demokratie ist Auslegungssache und wir legen sie so aus, dass wir schon im Vorfeld gerne wüssten, wie Politiker später handeln, also noch bevor der Wille des Volkes via Wahlen abgefragt wird. Was tun wir also? Wir nehmen Einfluss, auf Politiker. Wir bieten ihnen zum Beispiel Berater-Verträge an. Da geht es ganz klar um Geld. Aber, und das will ich in aller Deutlichkeit auch mal sagen, den Produzenten von erneuerbaren Energien geht es auch um Geld. Zurück zur Lobby: Wenn Umweltschützer sich mit Umweltschutzparteien verbünden, und die mit Experten für Strahlenschutz und die dann mit Risikoforschern, ist das nichts anderes als eine Lobby? Ihr wollt mit allen Mitteln raus aus der Kernkraft und wir wollen mit allen Mitteln drin bleiben. Und wer gewinnt in solchen Fällen? A) Wer schon länger dabei ist und B) wer über mehr Kapital verfügt. Muss ich das wiederholen? Nein, also wir sind euch da klar überlegen. Wir machen unseren Job schon sehr viel länger, sind also viel besser vernetzt. Und wir haben einfach eine Kriegskasse, die so voll ist, dass wir jeden von euch zwei mal kaufen könnten, wen ihr nicht so verdammt verbohrt wärt.
06 (7:25)
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- 6. Zukunft: Wir wissen, dass in der BRD die Geschäfte mit Atomstrom definitiv nicht mehr so lange laufen werden. OK, wir haben mit den Laufzeitenverlängerungen wirklich einen Coup gelandet. Wir haben es geschafft, dass eine Bundeskanzlerin, die es eigentlich besser wissen müsste, was sage ich, die es besser weiß, dass die unsere schrottreifen Meiler, von denen es ja immer noch sieben in der BRD gibt, dass die die euch als Brückentechnologie verkauft hat. Hallo, das sind Oldtimer, mindestens 30 Jahre alt. Aber, und das möchte ich an dieser Stelle auch mal sagen, versetzt euch in unsere Lage, ist es nicht eine marketingtechnische Meisterleistung diese Regierung dazu zu bringen, das ohne rot zu werden in die Kameras zu sagen? Wir haben das hinbekommen und das war für mich, der ich mich als alten Hasen in der Branche bezeichnen möchte, schon ein echter Grund eine Riesenparty zu geben. Man muss aber auch mal sagen: es war ein hartes Stück Arbeit. Was haben wir all die Jahre überall Studien manipuliert. Wir haben Zahlen geschönt oder Risiken ins Unendliche kleingerechnet. Wir haben sogar Plakate kleben lassen, auf denen man Atomkraftwerke und Windräder vor blauem Himmel sah und dazu der Spruch „Klimaschützer unter sich“. Ich fand die Kampagne damals ein bisschen zu dick aufgetragen, aber im Vorstand hieß es unsere Werbeagentur hat bei Testscreenings wirklich gute Werte bekommen. Also haben wir das gemacht, mit Erfolg. Wenn die Laufzeiten jetzt doch wieder teilweise zurückgenommen werden sollten, wäre das natürlich ärgerlich. Wobei ich sagen muss, dass ich mir da an eurere Stelle keine zu großen Hoffnungen machen würde. Wie gesagt, wir sind ganz gut vernetzt und wir wissen, wie man Strategien fährt, um zum Beispiel kurz vor Wahlen Wähler zu täuschen. Und wir haben verdammt gute Anwaltskanzleien. Hallo, wir leben ja in einem Rechtsstaat. Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen. Also, würdet ihr umgedreht doch genauso sehen. Ich gebe allerdings zu, hier in Deutschland ist Atomstrom auf dem absteigenden Ast. Wir holen halt noch raus, was rauszuholen ist, auf die Gefahr hin, dass alte AKWs nach hinten raus natürlich anfälliger werden. Aber die Folgen, das, das ist nicht unser Geschäft.
07 (9:18)
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- 7. Ich darf offen sprechen, wie doof seid ihr eigentlich? Schnallt ihr nicht, was da draußen im Moment abgeht. Es gibt zahlreiche Ex-Dritte-Welt-Länder, die im Moment einen riesigen volkswirtschaftlichen Boom erleben, die binnen weniger Jahre zu Industriegiganten aufsteigen, zum Beispiel Indien oder China. Parallel dazu kippen im arabischen Raum diese Despoten wie Kartenhäuser zusammen. Das heißt aber auch, dass hier westlicher Lifestyle mittelfristig dazu führen wird, dass immer mehr Menschen immer mehr Energie verbrauchen werden, und dass parallel dazu Öl immer schneller zur Neige geht. Und was heißt das für uns, die Atomstromprofis? Goldene Zeiten. Was interessiert uns der Ausstieg der Deutschen aus dem Atomstrom? Hauptsache die Neuen steigen um so heftiger ein, und das tun sie. Ist euch klar, wieviel Atomkraftwerke derzeit mit deutscher Hilfe im Ausland geplant und bestimmt auch gebaut werden? Wir verticken zum Beispiel gerade eines unserer Produkte nach Brasilien. In ein Erdbebengebiet und direkt in die Nachbarschaft zu einer 2-Millionen-Metropole, und das, obwohl wir wissen, dass die Sicherheits-Standards dort, überhaupt nichts mit unseren zu tun haben. Also ich muss ganz ehrlich sagen, diese Brasilianer sind ganz schön naiv. Aber, und das ist entscheidend, wir - wir sind es nicht. Glaubt irgendwer von euch, dass wir in einer solchen Region, in der auch rund um die Uhr politisch alles möglich ist, dass wir in solch einer Region Geschäft machen würden ohne Absicherung? Haben wir natürlich. So genannte Hermes-Bürgschaften. Nie gehört? Das ist wieder was staatlliches. Also wenn wir den Brasilianern so ein Atomkraftwerk hinstellen und es kommt da irgendwie was dazwischen, zum Beispiel, dass eine Versorgungsstraße nicht gebaut werden kann oder irgendein Streik den Bau verzögert, kann uns das egal sein. Da springt der Staat, also der Steuerzahler ein, also ihr. Diese Hermes-Bürgschaften bedeuten konkret, dass wir, also dass wir unser Geld immer sehn. Ich meine das müsste euch doch jetzt langsam mal dämmern. Wir haben da ein klares Muster entwickelt und da ist die oberste Priorität auch: Sicherheit, nur eben Zahlungssicherheit. Wenn die nicht eben all die Jahre 100 Prozent safe wäre, sorry, aber dann wären wir raus aus dem Business. So aber ist das alles für uns seit Jahrzehnten ein Bombengeschäft. Und damit komme ich zum nächsten Punkt.
08 (11:19)
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- 8. Das Bombengeschäft: Ich meine jetzt, wo ich schon so viel erzählt habe, da kann ich auch gleich ganz auspacken. Also, ihr habt doch seit rund 60 Jahren so eine Art Frieden hier in Europa. Ja? Und wie funktioniert der? Na mit Abschreckung, atomarer Abschreckung. Und was braucht man dazu? Man braucht Atomsprengköpfe. Und was brauchen die wiederum, damit sie immer schön scharf bleiben? Sie brauchen Plutonium. Verstanden? Wer zum Beispiel Atomraketen im Schrank haben will, um zum Beispiel die Politik, die er im Moment betreibt auch noch übermorgen so betreiben zu können, also der braucht die atomare Keule. Und damit ist er permanent auf Plutonium angewiesen und das bekommt er, wenn er auf spezielle Weise Atomreaktoren betreiben - lässt, also von uns. Im Übrigen verkaufen wir seit geraumer Zeit das sogenannte abgereicherte Uran an große Waffenhersteller. Die bauen daraus dann sogenannte bunkerbrechende Munition und die setzen sie dann auch überall ein, zum Beispiel im Kosovo oder im Iraq oder in Afghanistan. Bunkerbrechende Munition ist vergleichsweise billig - also herzustellen, hat aber den Vorteil, dass sie praktisch alles durchschlägt - also Panzer, Höhlen, ganze Gebäudekomplexe. Ein Treffer - und zack - geht da gar nichts mehr. Die Militärs freut das natürlich und uns auch. Wir sind den Scheiß los, der bei uns nur Platz wegnimmt und können noch ein bisschen Geld damit verdienen. Einziger Nachteil dieser Munition: beim Aufschlag entsteht hochtoxischer radioaktiver Uranstaub, der dann alles verstrahlt, was auch nur in der Nähe ist. Also nicht nur die Zivilbevölkerung - da wär's egal - auch die Soldaten. Ihr kennt das dann als Golfkriegssyndrom. In den Golfkriegen damals sind ja nur eine Hand voll US-Soldaten beim Kampfeinsatz getötet worden. Aber später erkrankten in ihrer Heimat, also, Hunderttausende an Folgen dieser Uranmunition. Das kostet den Staat dort eine ganze Menge Geld, weil, die Leute sind ja arbeitsunfähig geworden und haben im Anschluss sogar viele verstümmelte Kinder gezeugt. Gott sei Dank, dass wir für diese Kosten nicht aufkommen müssen. Wir wären sofort pleite. Was ich sagen will: wir haben nicht nur Freunde bei der Großindustrie, die viel billigen Strom braucht, wir haben auch verdammt mächtige Verbündete bei den Militärs, bei den Atommächten. Habt ihr es jetzt kapiert? Ihr könnt gegen uns nicht gewinnen. Wir sind ein ganz wesentlicher Teil des Systems Kapitalismus und Globalisierung. Und ganz ehrlich: da haben wir doch alle was davon. Selbst ihr, die ihr mit der Bahn zur Demo fahrt oder euch via Smartphone zu Mahnwachen verabredet. Ihr lebt den Luxus Frieden. Und deshalb kämpft ihr auch nicht für Brot oder medizinische Grundversorgung, sondern für Ökostrom, Fahrradwege, Ethik, Humanismus, genfreie Nahrung, was weiß ich. Muss man sich alles [erst mal] leisten können. Und wir die Hersteller von Atomstrom - und immer auch Plutonium - wir lassen euch da weitgehend in Ruhe. Aber, und das sei an dieser Stelle auch mal angemerkt: seid nicht undankbar, übertreibt es nicht, beißt nicht die Hand, die euch füttert. Klar füttern wir euch. Ihr, die Atomkraftgegner, ihr kauft doch sogar unsere Aktien und finanziert damit eure Pensionsfonds, für später. Zum Beispiel Norwegen, kein einziges Atomkraftwerk am Netz, aus Überzeugung, aber mit über 10 Prozent an TEPCO beteiligt. Also unseren Homis aus Japan, die ein echtes Problem an der Backe haben, was im Falle eines Super-GAUs aber egal ist, denn dann muss ja der japanische Staat zahlen. Also wie bei uns. Oder Italien: die haben nach Tschernobyl schon lange keine Atomkraftwerke mehr am Netz. Das müssen sie auch gar nicht. Sie kaufen den jetzt komplett bei den Franzosen - wo wir mit den Fanzosen stark kooperieren. Wenn ihr in ein italienisches Öko-Café geht, um dort dann fair-trade-Kaffee trinkt und euch für die nächste Demo zu dressen, habt ihr da immer vorher nachgefragt, wie da die Kaffeemaschine betrieben wird? Seht ihr! Also noch mal: ihr und wir, also das sind eigentlich keine getrennten Lager. Das, was wir an Plus machen, reichen wir teilweise an euch durch. Also die Leute, die auf gar keinen Fall was mit diesen AKW-Fuzzis am Hut haben. Nächster Punkt, und der ist mir sehr wichtig.
09 (15:12)
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- 9. Ihr: Wer seid ihr eigentlich? Ihr seid doch erst durch uns, die Kernkraftprofis, überhaupt zu einer Einheit herangewachsen. Ihr nennt euch Grüne oder Ökos oder Greenpeace, Gorleben-Freunde oder was weiß ich. Aber ohne uns wärt ihr doch bis heute ein zerstrittener Haufen von Chaoten. Wir, die Atomlobby, haben euch doch quasi erfunden. Wir sind eure Existenzberechtigung. Wo wärt ihr denn ohne uns? Und vor allem, was werdet ihr sein, wenn wir - theoretisch - nicht mehr da sind? Dann braucht man euch auch nicht mehr. Ist euch das klar? Wir, eure vermeintlichen Erzfeinde, sind diejenigen, auf die ihr euch seit Jahren verlassen könnt. Wir sichern eure Arbeitsplätze in zahlreichen Anti-AKW-Organisationen. Was ich konkret sagen will: es ist doch einfach naiv uns so schnell abschießen zu wollen. Mit unserem Niedergang verliert ihr eure Motivation, euren Teamgeist und euer Profil. Ihr seht doch jetzt an den Konservativen, wie taktisch dumm es ist Atomkraft zu einem Alleinstellungsmerkel zu machen. Genauso dumm ist es aber „gegen Atomstrom“ zu einem Alleinstellungsmerkel zu machen. Kapiert ihr das nicht. Das machen ja nicht mal wir. Wir, also die ihr immer mit diesem Stempel „Atomstromproduzenten“ betitelt, wir wären niemals so verrückt ausschließlich auf Atomstrom zu setzten. Das tun wir auch gar nicht. Es ist, und das habe ich jetzt hinreichend erklärt, nur unsere Cash-Cow Number One. Aber wir produzieren natürlich auch regenerative Energien, weil denen die Zukunft gehört. Wir investieren jedes Jahr Milliarden in neue Technologien. Technologien, wie ihr sie flächendeckend fordert und wie eure Partner sie ja bereits betriebsbereit längst im Schrank haben. Aber, und das ist doch aus unserer Sicht völlig logisch, was nützen uns viele kleine regenerativ arbeitende Kraftwerke, Bio-, Sonnen-, Wind- oder Erdwärmekraftwerke, was nützen uns, wenn die nicht uns gehören, sondern euch. Wir sind Monopolisten. Das waren wir immer und das wollen wir auch bleiben, denn wer das Monopol hat, der hat die Macht und damit das Geld. Dezentrale Energieversorgung ist das Gegenteil von Monopol. Für uns würde das nur Verlust bedeuten. Warum sollten wir ausgerechnet da dafür sein? Wir müssten unsere Gewinne teilen und zwar mit euch. Also im Moment sieht es so aus: es bedarf von unsere Seite noch zig Millarden, um auch den regenerativen Energiemarkt so zu beherrschen, wie wir das gewohnt sind. Hier sind Investitionen allein in die Infrastruktur notwendig, die selbst für uns, also wirklich horrende sind. Das wird Jahre dauern. Aber, und da könnt ihr uns beim Wort nehme, wir verdienen das Geld schon noch. Wir sind ja ständig dabei, zum Beispiel mit Laufzeiten-Verlängerung oder so. Vor allem aber mit den steuerlich längst abgeschriebenen Uralt-AKWs, die die Republik ja gar nicht mehr bräuchte, weil in der BRD, und das gebe ich ja offen zu, eh mehr Strom produziert wird, als dieses Land tatsächlich benötigt. Diese Überkapazitäten, die verticken wir aber, also mit richtig Gewinn, ins Ausland, und torpedieren dort die grüne Konkurrenz. Euch sagen wir natürlich: ohne uns geht hier - und zwar überall, und zwar sofort, das Licht aus. Das ist völliger Quatsch. Aber das funktioniert und es sorgt dafür, dass immer noch große Teile der Bevölkerung, dass die Angst haben. Die haben Angst, dass morgen der Toaster nicht mehr funzt. Also ganz ehrlich, würdet ihr diese Propagandamasche, also würdet ihr die nicht auch weiterverfolgen, wenn sie all die Jahre so gute Ergebnisse liefert. Zurück noch mal zum Ökostrom. Habt einfach Geduld. Wir verkaufen euch schon über-übermorgen so viel Ökostrom, wie ihr haben wollt. Aber dazu müssen wir überall auf der Welt weiter mit Atomstrom das Sparschwein füllen, um die Konkurrenz ruckzuck auszuschalten.
10 (18:38)
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- 10. Und damit bin ich beim Schluss: Macht euch locker. OK? Überlegt euch, bevor ihr uns komplett aus Deutschland verbannt, mit welchem anderen Thema ihr euch in Zukunft so effektiv profilieren wollt. Also ganz ehrlich, ich sehe da wenig Möglichkeiten. Von daher, und das soll jetzt nicht zynisch klingen, ist Japan doch das beste, was euch derzeit passieren konnte. Und wenn es in der Bundesrepublik auch noch völlig überraschend zu einer Kernschmelze kommen könnte, durch einen Flugzeugabsturz in einen Altmeiler - also dann, dann wäre das euer Durchbruch. Dann hättet ihr binnne Tagen Millionen Menschen auf der Straße und bei den nächsten Wahlen würden die euch mit Sicherheit an die Macht bringen. Und dann, dann könntet ihr mal schalten und walten - so wie wir. Wir, die Produzenten von Atomstrom, würden uns dann natürlich sofort aus der Bundesrepublik komplett zurückziehen - schon aus gesundheitlichen Gründen, wegen des Fallouts. Aber, und das muss ich ja jetzt nicht noch mal erwähnen, oder? Wir sind ein global operierender Wirtschaftszweig. Wir fusionieren weltweit und wir liefern lecker Strom, damit der Geldstrom, unser eigentliches Kerngeschäft, damit der niemals abreißt. Und das wird auch nicht passieren. Oder kann sich wer von euch eine Welt ohne Geld vorstellen. Seht ihr, einen gemeinsamen Nenner haben wird doch.
- Mit strahlendem Lächeln
- Euer im Grunde doch ganz guter Freund aus den Kreisen der Atomstromproduzenten
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