Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 154c

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Geschichte der Mathematik (Teil 54)


Nun ruhte sei Saccheri unser Problem nicht mehr, sondern die Entwicklung vollzog sich in dramatischer Steigerung. J. H. Lambert (1728-1777), der beide Hypothesen untersuchte, drang ziemlich weit vor, zog das sphärische Dreieck (Winkelsumme größer als 180°) in den Kreis der Betrachtung, wobei er sich der Äquivalenz von Dreieckswinkelsumme und Parallelenpostulat bewußt war. Er sprach sogar schon von der „imaginären Kugel“. Und G. S. Klügel (1739-1812) sowie der große Geometriker Legendre (1752-1833) stießen gleichfalls auf das Problem, wobei sie es allerdings bei Zweifeln an der Denknotwendigkeit (Apriorität) des Parallelenpostulats bewenden ließen. Oder gar die Falschheit der „Hypothesen“ durch Scheinbeweise zu erhärten suchten. Die große Revolution der Geometrie beginnt so eigentlich erst mit Gauß, der sich schon 1799 mit dem Parallelenpostulat beschäftigte, wie aus seinem Brief an Wolfgang von Bolyai hervorgeht. W.nbsp;Bolyai selbst beschäftigte sich ein Leben lang mit diesem Gegenstand, um schließlich die Nichtigkeit seiner Bemühung einzusehen, Euklid voll zu rechtfertigen. Und nun begann eine der merkwürdigsten Entdeckungs-Gleichzeitigkeiten der Wissenschaftsgeschichte, die wir, um nicht zu verwirren, schematisch darstellen müssen:
a) Gauß selbst war, wie erwähnt, dem Geheimnis bald auf der Spur. Er entwickelte selbständig eine widerspruchsfreie Geometrie, bei der das Parallelenpostulat nicht galt und die Winkelsumme im Dreieck kleiner war als 180°.
b) Zur grundsätzlich selben Geometrie gelangte der Jurist Schweikart, der seine Gedanken an Gauß weitergab und von diesem Lob erntete.
c) Der Neffe Schweikarts, Taurinus, veröffentlichte als erster im Jahre 1825 Erörterungen über unseren Gegenstand, wobei er sowohl die Hypothese des spitzen als des stumpfen Winkels prüfte und auch von der imaginären Kugel sprach. Er verfiel allerdings wieder in den Fehler Saccheris und behauptete schließlich die Alleingültigkeit des Parallelenpostulats im Sinne Euklids.
d) Erst der Sohn W. Bolyais, der ungarische Genieoffizier Johann Bolyai, baute 1823 eine mit der Gaußschen identische „nichteuklidische“ Geometrie (nach der Hypothese des spitzen Winkels) aus und veröffentlichte sie im Jahre 1832.
e) Ebenfalls unabhängig von allen anderen
(Wenn man davon absieht, daß ein Schüler Gaußens Kollege des Russen an der Universität war, der ihm vielleicht von der Beschäftigtmg Gaußens mit dem Parallelenproblem sprach.)
gelangte der Russe I. N. Lobatschewskij (1793-1856) im Jahre 1826 zur nämlichen nichteuklidischen Geometrie und legte seine Entdeckung der Universität Kasan vor („Kasaner Abhand1ung“). Die Veröffentlichung erfolgte 1829-1840. Lobatschewskij stellte seine Geometrie ausdrücklich als gleichberechtigt neben die euklidische.
f) In aller Allgemeinheit bereitete der geniale Bernhard Riemann, ein Schüler von Gauß und später Professor in Göttingen, im Jahre 1854 den endgültigen Sieg der Revolution vor. Seine Habilitationsschrift „Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen“, die Gauß noch anhörte, kennt bereits alle drei Geometrien mit , und , wobei die Winkelsumme des Dreiecks bedeutet.
g) Den vollen Sieg erfochten dann Beltrami und F. Klein zwischen 1868 und 1871, die beide die Reellpunktigkeit auch der negativ konstant gekrümmten Fläche, also der angeblichen „imaginären Kugel“, nachwiesen und darüber hinaus das geometrische Weltbild ebenso vereinfachten wie erweiterten.
Es kann nun durchaus nicht unsre Aufgabe sein, dieser sonderbaren Entdeckung in ihren Einzelheiten nachzuspüren. Wir haben uns eher mit ihren erkenntniskritischen Folgen zu befassen und verweisen für Einzelheiten u. a. auf die Darstellung in unsrer Geometrie für jedermann „Vom Punkt zur vierten Dimension“.
Hier fragen wir bloß, was dadurch geschehen war, daß man einsehen lernte, das Problem der Parallelen sei deshalb undurchdringlich, weil es in der bisherigen Art gar nicht gestellt werden durfte. Es sind, so wußte man plötzlich, Geometrien denkbar und in gewissem Sinne realisierbar, in denen es zu einer Geraden durch einen Punkt überhaupt keine oder zwei Parallele gab. Wobei allerdings der Begriff der „Geraden“ im archimedischen Sinne genommen und all das als „Gerade“ bezeichnet wird, was sich auf der gegebenen Fläche als „kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten“ herausstellt. Ist daher ein „gekrümmter Raum“, etwa der gekrümmte der Kugeloberfläche, im ebenen oder nicht gekrümmten euklidischen „eingebettet“, dann ist, von diesem Standpunkt aus, die „Gerade“ des nichteuklidischen Raumes „gekrümmt“. Aber nur von diesem außernichteuklidischen Standpunkt aus. Schon der Kapitän weiter Fahrt, der, von Plymouth aus, New York anzusteuern hat, fährt nur dann auf „geradem Wege“ dorthin, wenn er auf einem Kugelgrößtkreis navigiert, also eine nichteuklidische g-Linie, wie Mohrmann die allgemeinste Gerade nennt, als Kurs benutzt. Wir geben zu, daß dieses Jonglieren mit scheinbaren Kontradiktionen die nichteuklidischen Geometrien für den sogenannten ,›gesunden Menschenverstand“ schwer verdächtig macht. Was aber, so lautet die Gegenfrage, hat dieser Verstand, wenn er nur gesund sein will, als Richtschnur? Wohl die Gesetze der Logik. Wenn wir also, seit Archimedes, als „Gerade“ die kürzeste Verbindung zweier Punkte definieren, wobei wir diese Verbindung nicht unbedingt in einem euklidischen R2, also in einer Ebene verlangen (deren Ebenenqualität, nebenbei bemerkt, auch erst wieder festgelegt werden müßte), dann bleibt uns nichts übrig, als jenes Gebilde als „Gerade“ zu akzeptieren, das dieser Definition genügt. Wen das Wort „Gerade“ stört, der kann ruhig „g-Linie“ oder „geodätische Linie“ oder „Kürzest-Verbindung“ oder irgendwie sagen. Das Wesen der Sache liegt nicht in dieser scheinbaren Ungereimtheit, sondern in einer weit auffallenderen Symmetrie. Es stellt sich nämlich heraus, daß alle Axiome Euklids, vom Parallelenaxiom abgesehen, auch in den nichteuklidischen Geometrien widerspruchsfrei gelten und daß etwa Konstruktionen, die das Parallelenaxiom nicht voraussetzen, in jeder beliebigen Geometrie durchgeführt werden können. Daher hat man auch mehr als einmal in den letzten Jahren von „absoluter Geometrie“ gesprochen, wenn man den Inbegriff aller geometrischen Axiome und Sätze zusammenfassen wollte, die invariant zu allen Geometrien, also gleichsam unempfindlich gegen den Strukturtypus der betreffenden Geometrie sind.
Nun sind wir im Verlaufe unsrer mathematischen Zeit-Raum-Fahrt sicherlich schon gegen Verallgemeinerungen und Antinomien aller Art ziemlich abgestumpft. Im Zusammenhang mit dem Nichteuklidischen aber werden erfahrungsgemäß auch sonst geduldige Antinomieverzeiher ungeduldig und böse. Denn hier kommt etwas in die Betrachtung hinein, was nicht bloß dem „common sense“ im Sinne des Verstandes, sondern auch im Sinne der Anschauung widerspricht. Unsre Geometrie, so glaubte man bis zu Kant und glaubt es in mathematisch nicht genügend orientierten Philosophenkreisen noch heute, ist a priori an den dreidimensionalen euklidischen, ebenen Raum gebunden, ist sonach naturgegeben, und eine andere „Wirklichkeit“ ist der Traum von Phantasten, Spintisierern oder bestenfalls die rein rationalistische Konstruktion von Pan-Logikern, die sich durch ihre Begriffsakrobatik im Kreise drehen; und dazu gleichsam vom Bekannten ins ewig Unbekannte hinaus extrapolieren, in dem Gesetze der Anschauung gelten können, die so anders geartet sind als unsre Formen der Anschauung, daß damit allein schon der Versuch des Überschreitens unsrer gegebenen Möglichkeiten zur leeren metaphysischen Spielerei werde.
Auf derartige Einwände wurden die verschiedensten Antworten gegeben, insbesondere im Zusammenhang mit der neuesten Physik. Einige, wie etwa Georg Simmel, erklären, daß die Apriorität im Sinne Kants durch die Erweiterung der Geometrie überhaupt nicht berührt wird. Wir lassen ja die Apriorität der Axiomatik und Logik voll bestehen, im Gegenteil, wir beugen uns dieser „Notwendigkeit“ und „Allgemeingültigkeit“ dadurch, daß wir die verlorene Position des einseitig festgelegten Parallelenpostulats aufgeben und die Geometrie durch Verallgemeinerung von einer inneren Schwäche, wenn nicht gar von einem inneren Widerspruch befreien. Was die Erfahrungsseite anbelangt, können wir im sowohl die sphärische nichteuklidische Geometrie auf der Kugelfläche als auch die pseudosphärische auf der Pseudosphäre mit Zirkel und Lineal handhaben, als ob es sich um Schulwandtafeln ältester euklidischer Observanz handelte. Ob der als Erfahrungsraum euklidisch sein muß, um unser Leben und Erkennen zu ermöglichen, ist mehr als zweifelhaft. Wir halten ja die Erde heute auch nicht mehr für eine ebene Scheibe, obgleich wir im Alltagsleben so handeln, als ob sie eine solche wäre. Vielleicht ist unser Raumgefühl auch nur ein solches „Als ob“. Was, so fragen wir, würde sich für uns ändern, wenn sich durch verfeinerte Messung herausstellte, daß die Winkelsumme aller Dreiecke ein wenig kleiner oder größer als 180° ist? Nichts würde sich ändern, antworten wir sofort. Denn in der Astronomie und theoretischen Physik arbeitet man ohnehin bereits mit nichteuklidischen Geometrien und im Alltagsleben würde die euklidische Geometrie wie bisher stets mit genügender Annäherung ihre Geltung behalten. Und wenn sie auch diese Geltung verlöre? Auch solche Umstürze des Denkens haben wir in der oder jener Form überlebt und wir wurden nicht krank, als wir erfuhren, daß die Quadratur des Kreises unausführbar ist. Um derartige Größenordnungen aber wie bei der Abweichung der Zahl vom „wahren Wert“ kann es sich bei der Auswirkung einer allfälligen Raumkrümmung für uns nicht einmal handeln, und die neue Physik nimmt dazu noch an, daß die genaue Geltung der euklidischen Geometrie für gewisse Gebiete überhaupt nicht fraglich ist.
Jedenfalls haben wir bisher keinen experimentellen Anlaß, in begrenzten Gebieten die euklidische Geometrie zu verlassen. Wir müssen aber gleichwohl stets darauf gefaßt sein, daß sich, auch rein real, die Notwendigkeit der Annahme einer Raumkrümmung aufdrängt. Dies ganz abgesehen davon, daß es auch noch andre Wege gibt, dem Dilemma zu entkommen. Es ist nämlich jederzeit möglich, gekrümmte Räume gedanklich in höher dimensionierte „euklidische“ Räume „einzubetten“ und die euklidische Geometrie projektiv anzuwenden. Aus solchen Gedankengängen heraus ergibt sich der „Verabredungs-“ oder der konventionalistische Standpunkt, wie ihn in gewissem Sinn Henri Poincaré vertrat, der die anzuwendende Geometrie nicht nach ihrer „Wahrheit“, sondern nach ihrer „Bequemlichkeit“ auswählt. Damit ist die Frage nach der „Wahrheit“ überhaupt ausgeschaltet. Allerdings scheint es uns, daß selbst Poincaré diesen Standpunkt nicht vollständig extrem vertritt, da ihn daran sein Intuitionismus hindert, der irgendwo der reinen „Richtigkeit“, also der logischen Unanfechtbarkeit allein mißtraut.
Wir wollen an dieser Stelle vorläufig abbrechen. Und wollen bloß noch hinzufügen, daß auch das Kapitel der nichteuklidischen Geometrien unseres Erachtens nach noch lange nicht abgeschlossen ist, wenn es auch einen ungeheuren Schritt zur Eroberung des mathematischen Kosmos bedeutet. Wir dürften auch auf diesen Gebieten eher früher als später noch Überraschungen erleben. Denn einige revolutionäre Provinzen der Mathematik streben, in sich abgekämpft, nach einer höheren Synthese, die ihren heutigen Stand ebenso grundlegend verändern kann, wie sich der Sinn der Tangente durch den Unendlichkeitskalkül veränderte. Nur ein innerlicher „Alexandriner“ kann wähnen, es sei bereits alles entdeckt. Aufrichtige Forscher zeigen uns in allen Regionen der mathematischen Landkarte die „weißen Flecken“ des Unerforschtseins, und selbst wenn solche weiße Flecken nicht vorhanden wären, ist es sehr leicht möglich, daß auch innerhalb der bereits „pazifierten“ Gebiete der Mathematik in abgelegenen Tälern Schätze liegen, die noch nicht gehoben sind.
Um keine unerfüllbaren Hoffnungen zu erwecken, erklären wir an dieser Stelle, daß wir damit durchaus nicht die konstruktive Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal oder die Rationalität der Wurzel aus zwei meinen, die beide sich in keiner denkbaren neuen Mathematik enthüllen können, die die Voraussetzung jeder Logik nicht über Bord wirft.
Aber - und das wollen wir deutlich bekennen - wir sind als historisch Schauende um nichts in der Welt dazu zu bewegen, uns dem Eingeständnis anzuschließen, das man oft hört: dem Eingeständnis, die Mathematik sei mit „ihrem Latein“ am Ende angelangt. Ob sie sich in einer Sackgasse befindet, ist ebenso schwer zu sehen wie das Gegenteil. Vielleicht sitzt, während wir diese Zeilen schreiben, irgendwo ein junger Galois oder Gauß am Schreibtisch und formt die vorläufig nur ihm selbst verständlichen Hieroglyphen eines neuen Kalküls, dem gegenüber alle bisher bekannten Gebiete neuerlich zu Spezialgebieten herabsinken. Oder aber wird eine weit umfassendere Wissenschaft - der Traum des Lullus, des Descartes, des Leibniz - die Mathematik in ihren Schoß aufnehmen und ihr neuen Sinn geben. Nicht ohne daß vielleicht auch die Mathematik sich plötzlich als Überwissenschaft enthüllt und einige ihrer obersten Denkformen an eine solche „Universalmathematik“ abgibt.
Der Zeichen sind viele. Die Taten werden folgen.