Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 141c

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Geschichte der Mathematik (Teil 41)


13[editar]

Dreizehntes Kapitel
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JEAN VICTOR PONCELET
Mathematik als Zauberspiegel
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Jedem, der sich nur ein wenig tiefer mit Leibniz und mit Newton beschäftigt, wird es bald klar, daß auch hochgespannte Erwartungen über die Leistungen dieser beiden Geistesriesen durch die geschichtlichen Tatsachen noch übertroffen werden. Aber wie andeutend auch immer unsere Worte dies auszudrücken vermögen, das Ausschlaggebende ist, daß durch Leibniz und Newton die Mathematik nicht nur in diesem oder jenem Lande, sondern über alle Grenzen hinaus in der gesamten abendländischen Kultur zur selbständigen Wissenschaft erhoben wurde. Deshalb ist auch alles, was wir sagen konnten und im Rahmen unserer Arbeit sagen durften, wirklich nicht mehr als eine schwache Andeutung.
Wir treten aber nach Leibniz einem noch viel schwierigeren wissenschaftsgeschichtlichen Tatbestand gegenüber, dem wir einige Worte widmen müssen. Wir Heutigen sind nämlich - diese höchst banale Feststellung muß gemacht werden - wenig mehr als zweihundert Jahre von den Ereignissen entfernt, die wir eben schilderten. Wenn wir nun auch behaupten, die Mathematik sei seit Descartes aus dem Stadium des Handwerks in das Stadium der Großindustrie eingetreten, wenn auch weiters die ganze Weltkonstellation gleichsam wie ein vervielfachendes Zahnräderwerk wirkte, das alle Ansätze zu dieser wissenschaftlichen Industrialisierung noch zunehmend multiplizierte und potenzierte, so sind wir alle anderseits wieder doch nicht zu Übermenschen heran gewachsen, die sozusagen unvergleichbar in der Geistesgeschichte daständen. Und wir wissen durchaus nicht, ob nicht eines schönen Tages ein großer Teil des industriell erzeugten mathematischen Gedankengutes als Modeartikel einer überholten Zeit beiseite geschoben werden wird. Kurz, wir haben weder die historische Distanz zurück in diese zwei Jahrhunderte, noch weniger aber eine prophetisch extrapolationistische Gabe für die Zukunft.
Da wir uns aber - so fühlen wenigstens die reifsten und phantasievollsten Mathematiker der Gegenwart - heute in einer noch durchaus nicht abgeschlossenen Phase der mathematischen Entwicklung befinden, ist jede Schilderung der auf Leibniz folgenden Epochen desto mehr ein ungefahres Stimmungsbild, als es noch nicht einmal feststeht, ob das Erbe Leibnizens bereits in seinen letzten Folgerungen ausgewertet ist. In manchen Einzelheiten ist dieses klassische Erbgut sicher zum Allgemeinbesitz geworden. Ebenso sicher ist es aber als Ganzes, als Plan und als Kosmos noch nicht bis zur letzten möglichen Weiterung vorgetrieben.
Unserem Unternehmen steht jedoch noch eine zweite, viel wesentlichere Schwierigkeit entgegen. Wir durften es ohne weiteres wagen, Schritt für Schritt, unsere Leser an Hand der Entwicklung bis ins Zentrum der Infinitesimalrechnung zu führen. Und wir mußten geradezu darlegen, wie sich die Anzahl der Grundrechnungsoperationen von der Addition zur Multiplikation, von dieser zur Potenzierung und zur Exponentialfunktion und schließlich zur Integration vorarbeitete. Auch das Gegenspiel auf der lytischen Seite, die Subtraktion, Division, Radizierung, Logarithmierung und Differentiierung blieb uns nicht fremd. Ebensowenig unterließen wir es, die Erweiterungen des Zahlenbereiches, von den natürlichen Zahlen beginnend, zu den gebrochenen, den irrationalen, den negativen und schließlich den imaginären Zahlen anzudeuten. Unendlichkeitsprobleme sind uns mehr oder weniger vertraut geworden, Paradoxien wurden uns selbstverständliche Begleiterscheinungen des Unendlichkeitskalküls. Wir verstehen auf unserer Stufe das Wesen des Algorithmus, des Systems. Wir sind nicht mehr erstaunt, wenn wir in den Reihen gleichsam einen neuen Zahlbegriff auftauchen sehen, ebenso in den Funktionen; wenn wir auch wieder wissen, daß die Reihen ursprünglich der Versuch von Näherungslösungen waren und die Funktionen eine formulierte Beschreibung gesetzmäßiger Zusammenhänge darstellten. Die weitere und verfeinerte algorithmische Ausbildung und Behandlung aber verschob bald wieder diese ursprünglich außerordentlich klaren und verhältnismäßig leichtverständlichen Begriffe. Denn plötzlich drehte man aus rechnerischen Notwendigkeiten alles um und ging vom Gegebenen zurück zu einer möglichen Entstehung, wobei man irgendwelche zufällig gegebenen Größen zu Prozessen umdeutete, die ihnen ganz fremd waren. Anstatt nämlich etwa den Wurzelwert aus der Binomialreihe als Resultat zu gewinnen, faßt man plötzlich irgendeine Irrationalzahl als Reihe auf und behandelt sie als Reihe weiter. Oder man nimmt eine empirisch gegebene Folge von Zahlen, von Messungsresultaten, und unterstellt diesen Zahlen, daß sie Ordinatenwerte, also Funktionswerte seien, worauf man versucht, sie durch ein Gesetz zu verbinden. Dadurch nun wird der Begriff der Funktion ungeheuer erweitert. Denn jetzt ist jede konkrete, allgemeine oder als Verbindung von verschiedensten Operationen gewonnene Zahl möglicherweise eine Funktion und man darf jede mathematische Gegebenheit welcher Art immer eine Funktion nennen.
Dieser Fortschritt und diese zunehmende Komplikation der mathematischen Begriffsbildung wirkt auf den Durchschnittsgebildeten, der der Mathematik nähertreten will, ungemein verwirrend und abschreckend, und es gibt heute weniger als je einen „Königsweg“ im Sinne des Königs Ptolemäus Philadelphus, der den Zugang zum gefährlichen Labyrinth der modernen Mathematik erleichtern könnte.
Solche Verwahrungen mußten schon an dieser Stelle eingelegt werden, um für den Leser unsere letzten Kapitel nicht zur Enttäuschung zu gestalten. Wir werden uns alle Mühe geben, wenigstens einen Zipfel der Geheimnisse zu erhaschen, können aber, aus dem Wesen der Sache, in die näheren Einzelheiten der modernsten Mathematik nur höchst allgemein eingehen, indem wir an schon Bekanntes anknüpfen und Einfacheres für Komplizierteres pädagogisch „substituieren“. Am wenigsten gilt dieser Vorbehalt für die Geometrie, am meisten für die weitere Ausbildung der „höheren Mathematik“ im landläufigen Sinne oder der Unendlichkeitsanalysis.
Nun zeigte es sich aber auf allen Gebieten der Anwendung, daß gerade die eingehendere Durchdringung der Differential- und der Integralrechnung dem Menschen eine Waffe in die Hand gegeben hatte, wie sie noch keine frühere Zeit besaß. Das stetige Reich der Wirklichkeit, das „Kontinuum“ des Seins, das funktional strukturierte Werden, kurz, alle „figurae“ und „formae“ konnten mit dieser Waffe angegriffen werden. Das ganze achtzehnte Jahrhundert stand im Zeichen dieses rationalistischen Rauschzustandes, der den Menschen endgültig mit Traumsicherheit zur äußeren und inneren Weltbeherrschung emporzuführen schien. Und die „Göttin der Vernunft“ lächelte verführerisch und lockte zu stets neuem Vorwärtsdrang.