Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 158c

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Geschichte der Mathematik (Teil 58)

Um aber wenigstens etwas über die „ Quaternionen“ zu sagen, die durch Hamiltons Veröffentlichungen von 1853 (Vorlesungen über die Quaternionen) und von 1866 (Elemente der Quaternionen) der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden, müssen wir einen Übergang zur Physik suchen. Wir haben seinerzeit im Kapitel über Leibniz erwähnt, daß Varignon das Parallelogramm der Kräfte einführte, das es gestattet, die resultierende Kraft zweier Komponenten (oder zusammensetzenden Kräfte) festzustellen, bzw. umgekehrt eine Resultierende in ihre Komponenten zu zerlegen. Wenn man nun die komplexen Zahlen nicht mehr in der gewöhnlichen Art, sondern nach Art von Polarkoordinaten darstellt, dann erhält man für jede komplexe Zahl einen sogenannten Vektor, d. h. eine gerichtete Strecke, aus deren Länge, Richtung und Neigungswinkel zur Abszisse alle Bestimmungsstücke der komplexen Zahl entnommen werden können. Addiert man derartige Vektoren, dann entsteht ein Bild, das genau dem Parallelogramm der Kräfte entspricht. Die Operation mit komplexen Zahlen ist also gleichsam eine genaue Abbildung dynamischer Vorgänge, und das Rechnungsresultat komplexer Operationen ist unter gewissen Voraussetzungen identisch mit mechanischen Untersuchungen und Umformungen. Mathematisch gesprochen, tritt durch die Addition eine Parallelverschiebung der Ebene um die Strecke ein. Eine Multiplikation verursacht eine Drehung der Ebene um den Koordinatenursprungspunkt um den Winkel bei gleichzeitiger Vergrößerung sämtlicher Strecken im Verhältnis , also eine Ähnlichkeitstransformation und Drehung oder, wie man kurz sagt, eine Drehstreckung.
Diese sogenannte „Vektoranalysis“,d. h. die Rechnung mit derartigen „gerichteten Strecken“, ist inzwischen zu einem riesigen Betatigungsfeld der Mathematik und Physik geworden, da durch eine solche Betrachtungsweise die meisten mechanischen und anderen Naturvorgänge in verblüffender Unmittelbarkeit rechnerisch erfaßt werden können.
Fig. 12

Hamilton selbst hat den Begriff des Vektors (des „Fahrers“) im Jahre 1845 in einer Abhandlung im Quarterly Journal erstmalig eingeführt und dann später jede komplexe Größe in den skalaren,
(Abgeleitet von „Skala“ = Zahlenlinie)
rein numerischen Teil und den gerichteten vektoriellen Teil geschieden, eine Unterscheidung, die aus naheliegenden Gründen für jede Vektorrechnung von eminenter Bedeutung ist, da für den skalaren Teil der Größe andre Rechnungsregeln gelten als für den vektoriellen.
Nun sind die schon oft erwähnten Quaternionen nichts andres als hyperkomplexe Zahlen des Typus , bei denen t der skalare und der vektorielle Teil ist. Sie sind in erster Linie für die Bewegungen (Drehstreckungen usw.) im Räaume erdacht und erfordern vier Koordinaten. Die Rechenregeln mit solchen Quaternionen sind äußerst komplizierte und es mag nur angedeutet werden, daß die Multiplikation der Quaternionen eine Kommutativität nicht kennt, also für zwei Quaternionen, die miteinander multipliziert werden, je nach der Reihenfolge der Faktoren zwei voneinander verschiedene Produkte resultieren. Felix Klein, dem wir auch bisher schon vielerlei Daten entnahmen, sagt in seinen „Vorlesungen über die Entwicklung der Mathematik im 19. Jahrhundert“ ungefähr, die Quaternionen hätten in England ein derartiges Aufsehen erregt, daß sie zu einem Credo der Schule in Dublin wurden. Sie sind in ihrer Behandlung so elegant und auf gewisse Probleme der Physik in so symmetrischer Weise anwendbar, daß sie zu einer ungeheuren Überschätzung dieser Methode führen mußten. So hat sich 1895 in England ein „Weltbund zur Förderung der Quaternionen“ gebildet, der sich als letztes Forschungsziel eine „quaternionistische Funktionentheorie“ setzte, von der man sich einen vollständigen Umsturz der Mathematik, ja in gewissem Sinne eine Lösung aller Welträtsel erhoffte. Gelegentlich derartiger Untersuchungen stellte sich schließlich heraus, daß eine quaternionistische Algebra möglich ist, in der der Fundamentalsatz der Algebra nicht gilt und in der dafür eine kubische Gleichung existiert, der sämtliche denkbaren Quaternionen als Lösungen genügen.
Es ist heute noch nicht zu entscheiden, wohin diese Epoche der Mathematik führen wird. Als weithin sichtbaren Erfolg hatten die Quaternionen Hamiltons inzwischen ihre Verwendung in der Relativitätstheorie Einsteins zu buchen, die ihnen in gewissem Sinne ihre rechnerische Abrundung verdankt.
Wir müssen also feststellen, daß das Geisterreich der Mathematik in mehrfacher Art die Herrschaft über die anderen mathematischen und mathematisch-physikalischen Provinzen an sich riß und teils als Welt der Urbilder, teils als Welt der Vektoren zur Begründung der Funktionentheorie und Vektoranalysis beitrug. Nun verschwisterten sich aber in letzter Zeit die Mengenlehre und die Gruppentheorie sowohl mit der Funktionentheorie als mit der Vektoranalysis, so daß tatsächlich eine neue riesengroße mathematische Welt im Werden ist, deren weitere Hilfsregionen noch die mehrdimensionale, die nichteuklidische und die projektive Geometrie sind, die untereinander wieder in den verschiedensten Beziehungen stehen.
Es wird aber jetzt langsam höchste Zeit, der großen Vorkämpfer zu gedenken, die den Grund zur Theorie der komplexen Veränderlichen, also der Funktionentheorie im eigentlichen, engeren Sinne, legten. Es sind dies Bernhard Riemann und Carl Weierstraß, die Felix Klein, selbst ein mathematischer Stern erster Größe, in folgender Weise charakterisiert: „Riemann ist der Mann der glänzenden Intuition. Durch seine umfassende Genialität überragt er alle seine Zeitgenossen. Wo sein Interesse geweckt ist, beginnt er neu, ohne sich durch Tradition beirren zu lassen und ohne einen Zwang der Systematik anzuerkennen. Weierstraß ist in erster Linie Logiker; er geht langsam, systematisch, schrittweise vor. Wo er arbeitet, erstrebt er die abschließende Form.“ Wir fügen hinzu, daß sich das äußere Leben dieser beiden deutschen Bahnbrecher, die der Welt den gewaltigsten mathematischen Fortschritt des neunzehnten Jahrhunderts geschenkt haben, ihren Anlagen entsprechend gestaltet. Oder Claß diese Anlagen gleichsam eine Abbildung ihrer Lebensläufe sind.
Riemann wurde, gleich Abel, als Sohn eines Landpfarrers geboren, und zwar im Jahre 1826. Die göttliche Vorsehung, an die er in stiller und erhabener Frömmigkeit glaubte wie kein zweiter, gönnte ihm eine Lebenszeit von weniger als vierzig Jahren, die zudem noch von einem Passionsweg erfüllt war, der sich nur schwer ausdenken läßt. Er verliert zuerst die Mutter, im Jahre 1855 den Vater und eine Schwester, im Jahre 1857 einen Bruder, im Jahre 1864 eine zweite Schwester: das unerbittliche Schicksal einer schwindsüchtigen Familie, das auch ihn selbst bald umkrallt. Im Jahre 1862 heiratet er. Kaum einen Monat nach der Hochzeit wirft ihn jedoch schon eine Brustfellentzündung nieder, die der Anfang vom Ende wird. Er erlebt noch das Glück eines Kindes, das im Jahre 1863 zu Pisa das Licht der Welt erblickt. Die letzten drei Jahre seines Lebens aber sind nur mehr ein verworrener Traum. Er verlebt sie größtenteils in Italien, flieht 1865 heim an die Stätte seiner Wirksamkeit nach Göttingen und versucht, über den Winter an Arbeit zu retten, was noch zu retten ist. Plötzlich, im Frühsommer, weiß er, daß alles zu Ende ist. Letzter Lebenswille baumt sich in ihm auf und er will nach Italien. Da sperrt ihm der Krieg mit Österreich den Weg. In Kassel sind die Schienen aufgerissen. Trotzdem will er nach dem Süden. Mit Pferdefuhrwerk, zu Fuß. Am 28. Juni war er endlich am Lago Maggiore eingetroffen, am 20. Juli starb er wie ein Heiliger im Garten der Villa Pisoni in Selasca bei Intra. Bis zum letzten Tag hat er gearbeitet. Hat die jämmerlich kurze Zeitspanne von kaum fünfzehn Jahren bis zum Rest ausgenützt, die ihm zum Aufbau seiner ungeheuren Gedanken gegönnt war.
Wo er hingriff, leuchtete der mathematische Kosmos in nie gesehenem Glanz auf. Seine Habilitationsschrift vom Jahre 1854 „Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen“ ist das klassische Produkt reifsten Könnens, die sogar einen Gauß, der selbst schon vom Tod gezeichnet war, als er sie hörte, zutiefst erschütterte. Schon im Jahre 1851 aber hat er mit fünfundzwanzig Jahren als Doktordissertation seine „Grundlagen für eine allgemeine Theorie der Funktionen einer komplexen Größe“ eingereicht, die vollkommen ohne äußeren Widerhall blieb, obgleich sie all das enthält, was den Fortschritt der modernen Mathematik begründet. Es war Riemanns Schicksal, übergangen und vernachlässigt zu werden, obgleich er auf akademischem Boden nicht zurückgesetzt wurde und verhältnismäßig jung die Professur erreichte. Seine stille, esoterische und tiefe Art brachte es aber gleichwohl mit sich, daß sein Name in den Konversationslexicis noch in den Neunzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts fehlte! Wohl eine erschütternde Tatsache. Aber der Grund für diese Erscheinungen liegt so sehr im Wesen der von ihm behandelten und erforschten Materie, daß auch wir nicht imstande sind, seine Taten in halbwegs populärer Art zu schildern. Wir müssen uns damit begnügen, zu berichten, daß die „Riemann-Fläche“ eine der genialsten Erleuchtungen ist, die die Mathematik kennt, da es auf dieser Fläche möglich ist, den Bereich und Verlauf auch verwickelter Funktionen abzubilden und dadurch etwas anschaulich und greifbar zu machen, was ohne diese Königstat für ewig reine Abstraktion geblieben wäre.
Auch bei Weierstraß sind wir in keiner viel besseren Lage, obwohl es diesem Manne vergönnt war, seine Ideen durch ein langes Leben zur Reife zu bringen. Er wurde im Jahre 1815 in Ostenfelde im Münsterland geboren, war zuerst Jurist in Bonn und aktives Mitglied des Korps „Saxonia“. Er führte ein ziemlich bewegtes, teils recht ärmliches Leben, war 1842 bis 1848 Gymnasiallehrer in Deutsch-Crone in Westpreußen, 1848 bis 1855 Lehrer am Collegium Hoseanum in Braunsberg in Ostpreußen, erhielt 1854 das Ehrendoktorat in Königsberg und wurde 1856 als Professor der Mathematik nach Berlin berufen. Dort wirkte er vor einer stets wachsenden Hörerzahl fast 30 Jahre und starb im Jahre 1897. Er hatte die Gewohnheit, kaum etwas drucken zu lassen, und verlangte, daß seine Vorlesungen in Abschriften zirkulierten, die nicht einmal mechanisch vervielfältigt werden durften.
Wie schon erwähnt, verdanken wir Weierstraß hauptsächlich die logische Abrundung der Funktionentheorie und die Erkenntnis, daß die stetigen und differentiierbaren Funktionen nur eine winzige Insel im Ozean samtlicher Funktionen sind. Dabei untersuchte er in erster Linie die Potenzreihen, in die er die Funktionen verwandelte.
Wir wollen dieses Kapitel nicht schließen, ohne wenigstens einen ungefähren Überblick darüber zu geben, welche Probleme die von uns sehr indirekt angedeutete Funktionentheorie behandelt. Wir durchblättern zu diesem Behuf ein modernes Werk über Funktionentheorie und stellen fest, daß als grundlegende Begriffe mengentheoretische Untersuchungen über Punktmengen in der Ebene und über Funktionen einer komplexen Veränderlichen nach Definition, Stetigkeit und Differentiierbarkeit vorangesetzt werden. Hierauf folgen die sogenannten Integralsätze, unter denen die Formeln Cauchys einen hervorragenden Platz einnehmen. Hierauf werden Konvergenzuntersuchungen und Untersuchungen über die Entwicklung analytischer Funktionen in Potenzreihen angestellt, worauf transzendente Funktionen und schließlich die sogenannten „singulä,ren Stellen“ in die Betrachtung einbezogen werden. Hierzu ist zu bemerken, daß etwa das Verhalten analytischer Funktionen im Unendlichen zu dieser Lehre von den „Singulären Stellen“ gehört. Damit sind die allgemeinen Grundlagen der Theorie abgeschlossen. Eine spezielle Theorie befaßt sich jetzt etwas naher mit den eindeutigen Funktionen, zu denen die periodischen gehören, und mit mehrdeutigen, die wir bereits als Wurzeln und Logarithmen kennengelernt haben. Bei diesen letzteren Funktionen finden wir auch Darstellungen solcher Funktionen auf der Riemannschen Fläche.
Natürlich soll dieser kleine Streifzug durch ein besonders leicht zugangliches Werk über Funktionentheorie (von Prof. Knopp in der Sammlung Göschen) nicht mehr bedeuten als eine Anregung und einen Hinweis. Denn die Funktionentheorie wird stets eine Disziplin bleiben, die den Mathematikern im engeren Sinne als Überwissenschaft zur Prüfung und Richtigstellung weiter Gebiete der Mathematik dient. Ihre praktische Bedeutung ist infolge der physikalischen Anwendung verwickelter Funktionen ungeheuer groß. Aber ihre elementare Darstellung oder Erlernbarkeit ist so schwer, daß vorläufig keine Hoffnung auf Änderung ihres esoterischen Charakters besteht.
Wir schließen auch deshalb dieses Kapitel ab, ohne den Versuch weiteren Eindringens in diese Materie zu wagen, und betonen nur noch einmal, daß das „mathematische Geisterreich“ heute die unteren Regionen der Mathematik beherrscht und den Bereich der Zahlen vollständig abschließt. Woraus allerdings nicht geschlossen werden darf, daß neue Entdeckungen und Erleuchtungen, auch auf diesem Gebiete, unmöglich sind. Waren es doch gerade die komplexen Zahlen selbst, die durch Jahrtausende als „impossibiles“, als unmöglich bezeichnet wurden.