Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 188c

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Archimedes (Teil 27)


Alexandria war ein Traum und legte Kreise von anderen Träumen um sich, auch wenn man es verließ.
Die Prunkbarke glitt über den See Mareotis. Lautlos tauchten die Ruder der ägyptischen Ruderer in das abendlaue Wasser, dass kleine Trichterwirbel nach allen Seiten liefen und das Farbenspiel der kupferroten und gelben Oberfläche des Sees um kaltes Bleigrau bereicherten.
Die Barke war groß und breit. Vorne ragte ein dicker Mast mit einem dreieckigen Segel, in das sich jedoch kein Hauch der Abendstille verfing. Es hing schlaff und rot beglänzt wie eine Tüte. Das Holz der Barke aber war schieferfarben bemalt und über und über bedeckt von Zieraten und Hieroglyphen.
Unter einem Baldachin ruhten in der Mitte des Bordes auf breiten Lagern Archimedes und Aletheia. Vor ihnen eine Räucherpfanne, deren sanft aufquirlender Rauch die Insekten vertreiben sollte. Und dieser Rauch stieg schräg und legte sich dann über das Wasser.
Noch war Alexandria nicht allzu ferne. Archimedes sprach nicht, fragte nicht und schaute: wie ein feiner Strich die Stadtmauer in ihrer erstaunlichen Länge. Darüber aber das Wirrsal von Giebeln und Dächern, Statuen und Säulen. Und alles überragend die Schnecke des Paneions und in der Weite die durchscheinend weiße Spitze des Pharos, auf dem schon die Leuchtfeuer entzündet waren. Vor den Mauern aber der Inselhafen, dessen geballter Schiffsreichtum nur der Sammelpunkt unterbrechungslosen Gehens und Kommens war. Denn die Barke durchfuhr nicht einsam den See mit seinen Dickichten und Vogelschwärmen. Zu ihren beiden Seiten, vor und hinter ihnen, zog es in dichter Folge. Große Kauffahrer, Fischerboote, Kriegsschiffe, auf denen Waffen aufblitzten, und überdies noch die Mückenschwärme von Lustbarken.
Die nachklingende Unrast des Schaffens war von Archimedes gewichen. Er gewann die Kraft, seine Ergebnisse und Entdeckungen zurückzuschieben. Sie waren unverlierbar aufgezeichnet. Nicht nur in seinem vergänglichen Hirn. Nein, auf gelblichem Papyros und weißen pergamenischen Blättern. Darum durfte er, schwerelos wie ein gedachter geometrischer Körper, den einzigartigen Duft fühlen, sich von diesem Duft umhüllen lassen, den nur die Wirklichkeit ausströmte, und durfte schweigen. Denn die Wirklichkeit hatte heute kaum noch ein Wort gesprochen.
Er sah verstohlen zu ihr hinüber. Sie schien nichts um sich herum zu bemerken. Ihre weit geöffneten Augen blickten ins Leere. Oder aber nach innen. Denn sie hatten einen sonderbaren entrückten Schimmer. Wieder war sie in einer Art gekleidet, die keinem Volk zuzugehören schien. Ein schwerer Reif um die Stirne, ein langes fließendes Gewand aus schimmernden, regenbogenartig gefärbten Stoffen, die Archimedes noch nie gesehen hatte. Und leuchtend rote Sandalen.
So glitt die Barke über die Seefläche, und der letzte Rest Alexandrias begann in Dunst und Glast zu versinken.
Es wurde einsamer rings um sie herum. Der Bug der Barke stand gegen Süden, und immer seltener kreuzte ein anderes Fahrzeug ihren Kurs.
„Wir nehmen einen Umweg“, sagte Aletheia unvermittelt mit voller Stimme, die über die Weiten schwang. „Der Abend ist lau, die Luft angenehm und wir haben jetzt Zeit. So viel Zeit!“ Dabei blickte sie Archimedes an, und ihr Mund begann zu lächeln, während die Augen noch entrückt waren. Da Archimedes schwieg, setzte sie fort: „Wir müssen noch durch viele und verworrene Träume, bis ich dir das sagen kann, was ich dir sagen will und sagen muss. Alles ist einfach und klar, denken wir manchmal, aber die Formel dafür zu finden bedarf weiter und labyrinthischer Umwege. Es ist so wie bei deinen Kurven, Archimedes.“ Sie senkte den Kopf und schwieg. Wie schillernde, zärtliche Schlangen bewegten sich ihre Finger zur Hand des Archimedes und umschlossen sie mit hauchfeinem Druck.
Wieder antwortete er nicht. Es war nichts zu antworten. Es war alles nur zu erfahren, wenn er nicht plump in die riesengroße Harmonie ihres Versuches hineintappte, ihm Dinge zu vermitteln, die sie für wichtig genug hielt, ihre ganze Person, den ganzen Umkreis ihres Lebens dafür einzusetzen. Liebe? Laune? Theatralisches Geltungsstreben? Nein, dreimal nein! Sie hatte etwas gesehen, was für sie endgültig und entscheidend war und das sie jetzt auszudrücken versuchte. Die „Wirklichkeit“ in der Fülle ihrer Macht als Frau und als ungekrönte Königin Alexandrias benötigte aber sicherlich nicht derartig geheimnisvolle Zurüstungen, um etwas mitzuteilen, wozu ein Brief genügt hätte oder eine kurze, klare und harte Aussprache.
Die Barke hatte im Süden eine Wand von Papyrosstauden und riesigen ägyptischen Bohnen erreicht, deren Blüten betäubend dufteten und in vielfältigen Farben durch das letzte Licht der Dämmerung gleißten. Kurze Zeit fuhren sie dieser Wand entlang. Dann stieß die Barke in das Dickicht und war sofort von einem Zauberwald wuchernder Gewächse umgeben, die geheimnisvoll an den Bordwänden raschelten, ihre Blüten und Früchte auf die Barke warfen und ab und zu klatschend zerrissen. Auch umgaben sie viele aufgescheuchte Vogelstimmen, und von fernher tönte das dumpfe Gequake von Fröschen und Unken.
Nachdem sie schon geraume Zeit durch diese strotzenden Dämmerungen geglitten waren, fühlte Archimedes einen verstärkten Druck ihrer Hand. Fast im gleichen Augenblick sagte sie unvermittelt:
„Du weißt, wer ich bin, Archimedes? Zumindest, soweit es das Äußerliche betrifft?“
„Man hat mir einige Auskünfte erteilt“, erwiderte er zögernd.
„Einige Auskünfte?“ lachte sie auf. Dann setzte sie fort: „Auch mir hat man Auskünfte erteilt. Über die Angelegenheit des pergamenischen Schreibstoffes. Auch über dich. Sosibios hat es sich nicht nehmen lassen, zu mir zu laufen und mir alles zu erzählen, was er über dich wußte oder zu wissen glaubte. Auch Herophilos sah nach meiner kostbaren Gesundheit, um zu erforschen, was ich mit dir vorhabe. Sie sind alle unsäglich simpel, diese Spitzen des Weltgeistes. Ein häßlicher Fliegenschwarm, der Wie toll umhersummt, wenn man nur ein Wenig zu nahe kommt.“